Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G Wachlin
Vom Netzwerk:
auf und suchte in seinen Schreibtischschubladen. »Ah, hier sind sie ja. Kennen Sie Spekulatius?«
    »Natürlich.«
    »So? Gab’s das auch im Westen?« Friedrichs riss die Packung auf und schüttete den Inhalt in eine Schüssel. »Vielleicht weil Spekulatius älter ist als die Mauer. Zumindest sieht dieser hier danach aus. Probieren Sie mal?«
    Er reichte Hünerbein die Schüssel, und der nahm sich einen der etwas zerbröselten Kekse und schob ihn sich in den Mund.
    »In Ordnung«, nickte er kauend, »bisschen trocken, aber in der Not …«
    »… frisst der Deibel Fliegen, wie wir zu Hause sagen.« Friedrichs lächelte und nahm sich ebenfalls einen Keks. »Sie müssen die so in den Tee tunken, dann werden sie weicher.«
    »Meine Zähne sind noch okay«, nuschelte Hünerbein mampfend.
    »Das schmeckt besser mit Tee«, insistierte Friedrichs.
    »Ich spüle dann nach«, kaute Hünerbein, »mir sind die sonst zu matschig.«
    »Sie sollen die Kekse ja nicht drin aufweichen, sondern nur tunken, sehen Sie?« Friedrichs tunkte vorsichtig seinen Keks in den Tee und schob ihn sich dann in den Mund. »Wo waren wir stehen geblieben?«
    »Bei Ihrer Aktenreise in die Vergangenheit«, Hünerbein tunkte jetzt auch, »wie weit sind Sie denn gekommen?«
    »Bis 1946«, Friedrichs seufzte, »da sind die Arndts als Flüchtlinge in Selchow eingetroffen. Haben von der Bodenreform profitiert. Junkerland in Bauernhand, hieß es. Die Ländereien der Großgrundbesitzer wurden parzelliert und an die Knechtschaft, an arme Bauern und Flüchtlinge verteilt. Jedem Landwirt ein Stück Land.«
    »Bis die Russen kamen«, nickte Hünerbein.
    »Na ja, die waren schon da«, erwiderte Friedrichs, »aber sicher waren die Erfahrungen, die man in Russland mit den Kolchosen gemacht hat, ausschlaggebend. Von der Sowjetunion Siegen lernen. Das war die Vorgabe. Und tatsächlich sind landwirtschaftliche Großbetriebe, wenn man es recht bedenkt und wenn sie richtig geführt werden, auch produktiver. Also wurde den Bauern mit viel Propaganda und Agitation das Land wieder abgenommen – oder auch nicht, wie es offiziell hieß: Die Bauern schließen sich freiwillig zu Genossenschaften zusammen.«
    »Ja, das ist so eine Sache mit der Freiwilligkeit«, Hünerbein schenkte sich Tee nach, »meine Mutter hat immer gesagt: Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit.«
    »Mit dem Leitsatz hätte sie bei uns in die Partei eintreten können«, lobte Friedrichs und lachte.
    »Sie auch noch Tee?«
    »Nur nichts umkommen lassen, was?« Friedrichs reichte seine Tasse rüber. »Vielen Dank. Ja, jedenfalls half bei den Arndts auch die schönste Propaganda nichts: Die wollten nicht in die Genossenschaft. Die machten einfach nicht mit bei der Kollektivierung, und damit begann der Ärger. Sie wurden wegen irgendwelcher Kleinigkeiten denunziert, als Verräter gebrandmarkt und wegen staatsfeindlicher Hetze verurteilt.«
    »Aber was hat das mit einem Mord vierzig Jahre später zu tun?«, fragte Hünerbein.
    »Vordergründig nichts. Aber immerhin kam Arndts Vater unter ungeklärten Umständen in DDR -Haft um. Seine Mutter starb vor Kummer, seine Frau an Depressionen und Krebs. Trotzdem blieb er standhaft bis zum Schluss. Das machte ihn zum Außenseiter, zum politischen Outlaw. Aber er behielt seinen Hof und sein Land.«
    »Das er sich zum Schluss hat vergolden lassen«, seufzte Hünerbein.
    »Er hat sich am Tage seines Todes noch ein Wohnmobil bestellt.« Friedrichs legte ein Schreiben eines Autohauses auf den Tisch. »Für einhundertdreißigtausend Mark. Das ist die Bestätigung. Kam heute mit der Post.«
    »Damit scheidet Selbstmord endgültig aus.«
    »Ja.« Friedrichs lehnte sich zurück und sah gedankenverloren aus dem Fenster. »Offenbar wollte er weg.«
    »Gibt es außer Kowalski noch andere Verdächtige?«
    »Ja. Ich hatte den ganzen Tag Vernehmungen hier. Die sind alle stinkesauer. Fühlen sich von Arndt im Stich gelassen und verraten.« Friedrichs erhob sich. »Sie haben gestritten, gedroht, vielleicht Arndts Hund vergiftet. Einmal wurde er auch zusammengeschlagen, es gibt eine Anzeige wegen Körperverletzung in den Akten.«
    »Und?«
    »Der Mann hat ein Alibi. Er sitzt wegen einer anderen Sache im Knast.«
    »Bleibt noch dieser Junge: Sascha Pawlak.«
    Friedrichs lehnte sich an den Aktenschrank. »Hat die Fahndung schon was gebracht?«
    »Nee.« Hünerbein schüttelte den Kopf. »So was dauert in der Regel ein paar Tage.«
    »Ich glaube nicht, dass er’s war: Angenommen,

Weitere Kostenlose Bücher