Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt
verlief ohne besondere Vorkommnisse. Zu viert verbrachten wir einen sehr schönen Tag in den blühenden Chianti-Hügeln. Als wir am Abend zum Hotel zurückfuhren, wollte John wissen, ob ich ihn zum Bahnhof bringen könne, wo er den Zug nach Mailand nehmen wollte. Ohne mir die Sache genauer zu überlegen, sagte ich Ja. Er lief in sein Zimmer hinauf, und als er zurückkam, sah ich erstaunt, dass er neben dem üblichen Gepäck auch einen kleinen antiken Tisch mit sich trug.
»Und was soll der hier?«, fragte ich darauf zeigend.
Er warf mir einen begeisterten Blick zu und sagte: »Den habe ich gestern bei einem Händler hier in Florenz gekauft. Ich glaube, dass er in meinem Hauseingang sehr schön aussehen wird.«
Da er sich offensichtlich für antike Möbel interessierte, nutzte ich unsere Fahrt zum Bahnhof, um ihm zu sagen, wenn er ähnliche Sachen kaufen wolle, könne ich ihn zum größten italienischen Antiquitätenmarkt begleiten – in der toskanischen Stadt Arezzo. Mein Vorschlag schien ihm zu gefallen, und er versprach, so bald als möglich wiederzukommen und mein Angebot anzunehmen.
Als ich zuschaute, wie er in den Bahnhof hineinging und dabei seinen zerbrechlichen Tisch über seinem Gepäck balancierte, konnte ich mir nicht vorstellen, wie dieser die Bahnfahrt und dann die Reise im noch engeren Flugzeug nach Amerika ohne Schaden überstehen würde. Aber irgendwie hatte John es geschafft, und so vernahm ich später, dass das Stück jetzt seine Eingangshalle verschönerte.
John hat einen merkwürdigen italienischen Ursprung. Anders als die meisten Italo-Amerikaner, deren Familien aus dem Süden ausgewandert sind, stammt bei John nur die eine Hälfte der Vorfahren von dort. Die andere Hälfte kommt ganz aus dem Norden, aus einem Städtchen nahe der österreichischen Grenze. Er ist ein Amerikaner der dritten Generation. Seine Großeltern landeten um 1930 in Philadelphia. Wie viele Italiener wurde John so erzogen, dass er seine Herkunft und die Traditionen seiner Urheimat weitgehend vergaß. Er ist durch und durch Amerikaner, ein »DOCG-Amerikaner«, wie wir hier sagen (nach dem Echtheitsstempel auf unseren Weinflaschen), und er spricht kein einziges Wort Italienisch. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, alle Jahre zweimal zu einem kurzen Besuch ins Land seiner Vorväter zu kommen.
In seiner Familie gilt er als das große Genie, weil er als erfolgreicher Rechtsanwalt einer bekannten Kanzlei in Washington, D.C., vorsteht. Er ist auch ein begabter Pianist – und ein eingefleischter Junggeselle. Er war noch nie verheiratet, obwohl ich ihn schon in sehr attraktiver Begleitung gesehen habe. Schlank und nicht sehr groß, kleidet er sich informell, aber auf eine Art, die ihm den Anstrich eines Intellektuellen der Sechzigerjahre verleiht. Seine dicken Brillengläser und der gepflegte Schnurrbart erinnern an Groucho Marx, dem er auch wegen seines exzentrischen Humors ähnlich ist.
Im Jahr nach unserem ersten Treffen kam er wie versprochen zurück, und ich fuhr mit ihm zum Markt von Arezzo. Dieser Markt findet am ersten Wochenende jeden Monats in der Stadt von Piero della Francesca statt, oder, wenn Sie das vorziehen, in der Stadt von Das Leben ist schön. Der Markt ist ein wichtiges Ereignis, an dem Verkäufer aus ganz Italien teilnehmen. Neben Unmengen billigem Kram kann man manchmal auch auf ein wirklich gutes Stück stoßen. Es gibt Gegenstände für Sammler aller Art – Telefonkarten, Briefmarken, Münzen, Postkarten, alte Kleider, die »neuen« Antiquitäten aus den Siebzigerjahren und wirklich alte Sachen.
Ich bemerkte sofort, dass John ein gutes Auge für Fälschungen hat. Außerdem stellte ich fest, dass er einen erlesenen Geschmack besitzt. Ich dachte, er sei ein Freund der traditionellen toskanischen Bauernmöbel, die jetzt in Italien sehr beliebt sind, aber er suchte nach Stücken im Stil des Genueser Risorgimento des 17. Jahrhunderts und war ganz besonders an Nachahmungen aus der Zeit um die Jahrhundertwende interessiert. Sobald er ein Möbelstück aus dunklem Holz mit geschnitzten Voluten oder Engels- und Teufelsfiguren sah, hielt er an und bat mich aufgeregt, so viele Einzelheiten wie möglich über das Stück in Erfahrung zu bringen. An Gegenständen ohne diese opulenten Details ging er ohne einen Schimmer von Interesse vorbei.
An diesem ersten Tag wurde ich zum Dolmetscher in vielen scheinbar endlosen Verhandlungen. Schließlich erstand er einen Marmortisch mit einem Unterbau aus Holz mit
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