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Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Titel: Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Castagno
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gab er sie mir, damit ich sie mir ansehen konnte.
    »Ich habe sie bei einem Straßenverkäufer gekauft«, sagte er stolz, »ganz zufällig, auf einem Spaziergang mitten in Rom. Er hatte eine ganze Kiste davon, unglaublich – Antiquitäten und sonstiges Zeug. Ich habe viel Geld dafür bezahlt. Aber man stößt ja nicht jeden Tag auf etwas so Altes!« Ich schaute die Münze flüchtig an. Ich bin kein Kenner und wusste deshalb nicht, was ich dazu sagen sollte.
    »Weshalb glauben Sie, dass sie alt ist?«, fragte ich.
    »Ganz einfach – schauen Sie, unterhalb der Figur ist ein Datum eingraviert.« Er zeigte auf die Oberseite der Münze in meiner Hand. »Hier … 42 v. Chr.« Glücklich nahm er die Münze wieder an sich und warf sie erneut in die Luft.
    Wir spazierten schweigend mehrere Meter weiter, während ich meine Antwort vorbereitete. »Chet«, sagte ich ganz ruhig, »ich habe den Eindruck, man hat Sie übers Ohr gehauen!«
    »Was?«, rief er aus. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Nun … wenn die Münze nicht von einem Wahrsager geprägt wurde, wie konnten sie damals, anno 42 v. Chr., wissen, dass es tatsächlich 42 v. Chr. war?«
    Er stand plötzlich still, während ein Ausdruck entsetzten Verständnisses langsam über sein Gesicht schlich. Plötzlich bangte ich um das Schicksal seiner Klienten im Gerichtssaal. Wenn er so schwer von Begriff war, dann konnte ich mir gut vorstellen, dass es in Kalifornien Leute gibt, die wegen Falschparkens lange Gefängnisstrafen absitzen.
    Weezie hatte die ganze Unterhaltung zufällig mit angehört. Sie gab mir einen Schubs mit dem Ellbogen und sagte: »Diese Kinder heutzutage – keine Leuchten, nicht wahr!«
    Beim Mittagessen kümmerte sich Weezie auf beleidigende Weise um Chet, steckte ihm die Serviette in den Kragen und zerschnitt ihm sein Stück Fleisch. Dass sie ihm nicht aus einem Töpfchen pürierte Karotten einlöffelte, war alles. Es war wirklich absurd. Chet ertrug alles schweigend und lächelnd, aber seine Münze warf er nicht mehr in die Luft.
    Chuck dagegen, der ein paar Gläser Wein getrunken hatte, hatte sich von seiner früheren Unfreundlichkeit erholt. Er lehnte sich über den Tisch und meinte: »Wissen Sie, Dario, wir genießen Italien wirklich sehr – die Geschichte, die Kunst, die Kultur -, und wir haben die erstaunlichsten Orte besucht und so viel Schönes gesehen. Aber etwas können wir nicht verstehen. Bevor wir in die Toskana kamen, waren wir in Pompeji – wissen Sie, wovon ich spreche? Der Ort da im Süden unten!«
    »Ja, klar«, antwortete ich, »die Stadt, die im Jahr 79 vom Vesuv zerstört wurde.«
    »Genau!« Er schien ganz aufgeregt, weil ich wusste, worüber er sprach. »Ja, es war wirklich ein erstaunliches Erlebnis, durch die Ruinen einer Stadt zu gehen, die offensichtlich einmal sehr wohlhabend war. Und die versteinerten Überreste dieser tausenden von armen Seelen, die von der Lava überrascht wurden. Aber wir wundern uns, weshalb wir nie etwas darüber gehört haben. Man würde denken, eine Tragödie von diesem Ausmaß …«
    Seine Stimme wurde leiser. Ein plötzliches Mitgefühl überkam ihn. Er schien so beeindruckt zu sein, dass ich leicht unruhig wurde. »Nun«, sagte ich. »Ich glaube, diese Katastrophe ist ziemlich gut bekannt …«
    Er schüttelte energisch den Kopf. »Nein, Dario. Ich lese die Zeitungen jeden Tag vom Anfang bis zum Ende – seit Jahren -, und glauben Sie mir, diese Katastrophe wurde 79 nirgends erwähnt!«
    Danach dachte ich, es sei besser, das Gespräch von sämtlichen italienischen Phänomenen wegzusteuern, seien sie geschichtlicher oder infrastruktureller Natur, und hielt sie mit Fragen über ihr Leben in den Staaten beschäftigt.
    Zurück im Hotel, fragte Weezie, ob ich ihr einen Zugfahrplan besorgen könne. Ich bejahte, und Chet bot an, mich zum Bahnhof zu begleiten. In der Schlange am Fahrkartenschalter standen wir hinter zwei jungen Kanadiern, beide mit einem wirklich riesigen, mit dem Ahornwappen geschmückten Rucksack auf dem Rücken.
    Während wir warteten, begann Chet endlich über Weezie zu sprechen. Er gab zu, dass das merkwürdige Verhältnis zu ihr für ihn inzwischen vollkommen normal geworden sei. Am Anfang habe es ihn natürlich sehr gestört. Aber weil er die große Zuneigung seines Vaters zu dieser Frau kenne, habe er beschlossen, darüber zu lachen und die Sache über sich ergehen zu lassen. Er habe sogar eingewilligt, das Paar nach Europa zu begleiten.
    »Ehrlich gesagt«, sagte er schmunzelnd,

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