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Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Titel: Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Castagno
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besorgt, was nun folgen würde.
    Weezie deutete auf die gegenüberliegende Wand und sagte: »Wozu dient das?«
    Ich schaute in die angezeigte Richtung. »Das ist das Bidet«, sagte ich.
    »Das Bi-was?«
    Ich spürte, wie ich rot anlief. »Man benützt es um seine … seine intimen Teile zu waschen.«
    Sie schaute mich voller Zweifel an, als wollte ich sie an der Nase herumführen. Es entstand eine ungemütliche Pause, in der ich nach etwas suchte, was ich noch sagen könnte, um sie zu überzeugen. Wie Sie sich vorstellen können, fiel mir nichts ein. Da erschreckte sie mich mit der Bemerkung: »Können Sie mir bitte zeigen, wie man das macht! Bitte, das wäre wirklich nett von Ihnen!«
    Ich zögerte und murmelte eine Entschuldigung, aber sie war sehr beharrlich. Schon unter normalen Umständen habe ich Mühe, einer schönen Frau etwas abzuschlagen – und so schwang ich also so unbekümmert wie möglich ein Bein über das Bidet und setzte mich darauf. Mit dem Gesicht zur Wand stellte ich den Vorgang dar.
    Ich war mit der Komik des Augenblicks bewusst. Ich hatte befürchtet, das Kind meiner Kundin sei noch nicht stubenrein, doch nie hätte ich gedacht, dass meine Kundin selbst ein solches Problem haben könnte und auch nicht, dass ich die entsprechenden Instruktionen zu erteilen hätte.
    Ich dachte über meine Vorbereitungen auf die Laufbahn als Chianti-Touristenbegleiter nach – die Wochen intensiven Studiums von Lokalgeschichte, Tradition und Weinbau. Wie konnte ich voraussehen, dass ich auch ein paar Stunden damit hätte zubringen sollen, die weibliche Hygiene zu büffeln?
    Weezie beobachtete mich mit größtem Interesse. Und genau in dem Moment, als die Angelegenheit den Höhepunkt der Peinlichkeit erreichte, wurde die Tür aufgestoßen, und der Portier schaute herein. Hinter ihm standen zwei weitere Männer, die ihm über die Achseln blickten. »Aha«, sagte einer von ihnen, während ich in die Höhe schoss, »ich dachte doch, ich hätte dich hier reingehen sehen!«
    Weezie war absolut unbefangen, wie wenn wir beim Lesen einer Broschüre statt über einem Bidet ertappt worden wären. »Chuck, Chet«, sagte sie fröhlich, »das ist Franco, unser italienischer Begleiter!«
    »Eigentlich heiße ich Dario«, sagte ich und streckte meine Hand aus.
    »Ach ja! Dario, das ist mein Mann Chuck«, und so schüttelte ich die Hand eines unfreundlich aussehenden weißhaarigen Gentlemans – »und das ist unser Sohn Chet.« Ich schaute am Ehemann vorbei und sah, dass die nächste Hand einem Mann mittleren Alters gehörte.
    Allem Anschein nach war mein Minibus vor schmutzigen Windeln sicher.
    Als ich sie zum Hotel hinausbegleitete, versuchte ich das Rätsel zu lösen. Weezies Mann war mindestens siebzig und ihr »Sohn« nicht unter vierzig. Außerdem war Chet der genaue Abklatsch von Chuck, weshalb über deren Verwandtschaft kein Zweifel bestand. Also war Weezie eindeutig Chucks junge Vorzeigefrau, die er spät geheiratet hatte – sehr spät, wenn ihre Jugend ein Indiz sein sollte.
    Weshalb sprach sie dann ständig von ihrem »Sohn« Chet? Weshalb tadelte sie ihn den ganzen Tag, als sei sie seine italienische mamma, und befahl ihm, einen Pullover anzuziehen, nicht so viel Wein zu trinken und weniger Süßigkeiten zu essen? Chet, von dem ich später hörte, er sei ein erfolgreicher Strafverteidiger, protestierte nie und akzeptierte die ganze merkwüdige Situation mit freundlicher Gelassenheit.
    Mich dagegen beunruhigte diese Gesellschaft außerordentlich. Ich hatte den Eindruck, der einzige Zuschauer in einem Schauspiel mit einer fürchterlichen Fehlbesetzung zu sein – Britney Spears als Tante Mame.
    Unseren ersten Halt machten wir bei den Etruskergräbern. Chuck, der, wie ich später erfuhr, als Marineoffizier im Vietnamkrieg gewesen war, war verärgert und antwortete auf keine meiner an ihn gerichteten Fragen. Weezie dagegen inspizierte die Ausgrabung so gründlich, dass ich beinahe erwartete, sie würde mich fragen, wo die Etrusker ihr Bidet hatten. Chet schien recht angenehm und ausgeglichen zu sein, weshalb ich auf unserem Rückweg zum Bus absichtlich neben ihm ging. Er benützte die Gelegenheit und entschuldigte seinen Vater, der schlecht geschlafen habe, weil ein Säugling im Zimmer nebenan weinte. Ich nickte und erwartete auch eine Erklärung für Weezies merkwürdiges Verhalten – aber es kam nichts.
    Dagegen förderte Chet aus seiner Tasche eine rostige Münze an den Tag und warf sie ein paar Mal in die Luft. Dann

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