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Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Titel: Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Castagno
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machen die normalen Touristen Platz – für andere.
    Ehepaar mit Sohn, neun Uhr, Hotel Minerva. Routinesache, denke ich und schließe die Tür hinter mir. Der Morgen ist warm, der Himmel tiefblau und einladend, die Luft erfrischend und feucht – ein perfekter Tag. Unterwegs bewundere ich die schönen Wälder und die tiefrot verfärbten Weinberge.
    Im Hotel angekommen, bemerkte ich sofort eine in einem riesigen Lehnstuhl versunkene, etwa zwanzigjährige Brünette. Sie war äußerst attraktiv, trotz ihres ungeduldig gelangweilten Blickes beim Durchblättern einer italienischen Zeitschrift. Meine Augen verweilten einen Augenblick auf ihr, während ich zum Empfangspult ging – die klassische Hartholzkonstruktion, wie sie in jedem Vier-Sterne-Hotel anzutreffen ist. Hier sagte ich dem Portier, dass ich eine Verabredung mit einem amerikanischen Ehepaar namens Weasle hätte.
    Mit professioneller Gleichgültigkeit deutete er auf genau die Dame, die mir eben aufgefallen war, und sagte: »Mrs. Weasle sitzt hier in der Halle.«
    Ich war verblüfft. Sie konnte nicht älter als dreiundzwanzig sein. Wie alt mochte ihr Sohn sein? Leicht beunruhigt sah ich mich schon mit einem quengelnden Kleinkind den Tag verbringen oder, noch schlimmer, mit einem schreienden Säugling.
    Während ich auf meine neue Kundin zuging, überlegte ich mir, wie eine volle Windel sich in meinem Minibus auswirken würde. »Mrs. Weasle?«, sagte ich und streckte meine Hand aus. »Ich bin Dario.«
    »Oh, Dario! Schön, Sie kennen zu lernen«, sagte sie und erhob sich aus den Tiefen ihres Sessels. Als sie stand, schüttelte sie energisch meine Hand. »Mein Mann und mein Sohn sind gleich da. Sie wissen ja, wie das mit Kindern ist! Man braucht immer eine Extraportion Geduld!«
    Während sie weiterplauderte, entspannte ich mich. Offensichtlich würde es keine dieser peinlichen Pausen geben, die oft entstehen, wenn man das erste Mal versucht, mit jemandem ins Gespräch zu kommen. Mrs. Weasle war gesprächig genug und übernahm beide Seiten der Unterhaltung.
    »Übrigens, Mario«, sagte sie, »ich bin Louise, aber alle nennen mich Weezie.« Weezie Weasle, dachte ich amüsiert, aber weil sie mich noch immer anstrahlte, fiel mein Grinsen nicht weiter auf.
    »Italien ist einfach fantastisch!«, rief sie begeistert aus. »Wir sind seit zwei Wochen unterwegs, und alles ist so alt und faszinierend und voller Geschichte.« Ich nickte zustimmend. Ich hatte diese Bemerkung schon oft und von vielen Kunden gehört.«Aber was wirklich auffallend ist«, fuhr sie in einem plötzlichen Anflug von Erstaunen fort, »sind die Toiletten!«
    Ich blinzelte erstaunt. Auch andere Kunden hatten schon merkwürdige Einzelheiten unseres Landes hervorgehoben – alles von den Motorrädern bis hin zu den Popstars – aber nie zuvor hatte jemand unseren sanitären Anlagen größere Bedeutung geschenkt.
    Ihre Augen glänzten plötzlich sehr interessiert. Weezie beugte sich zu mir. Die übrigen Leute in der Hotelhalle missachtend, sagte sie, ohne die Stimme zu senken: »Denken Sie nur an all die Spülsysteme!«
    Ich spürte, wie ich verlegen errötete, musste aber zugeben, dass sie Recht hatte. In den stillen Örtchen Italiens ist man nie sicher, auf welches System man trifft. Es gibt die klassische Kette am Wasserbehälter, den Druckknopf in der Wand, das Fußpedal, den seitlichen Hebel, den Kasten mit dem beweglichen Schalter, die Vollautomatik – ohne sichtbare Steuerung und, seit kurzem, das neue Hightech-Modell, wo man die angemessene Wassermenge wählen kann, je nachdem, was weggespült werden soll.
    Aber ich wollte nicht bei diesem Thema verweilen, weshalb ich die Angelegenheit mit der Bemerkung abtat: »Ach, wissen Sie, die Fantasie der Mittelmeerländer …« Ich wusste selbst nicht genau, was ich damit meinte. Was immer es war, es reichte nicht, Weezie Weasles laserscharfe Neugier zu befriedigen. Sie packte mich am Arm und sagte: »Marco, könnten Sie rasch mit mir ins Damen-WC kommen?«
    »Hmm, … ja«, antwortete ich vorsichtig, »aber könnten Sie mir sagen, wozu?«
    »Ich will Ihnen etwas zeigen!« Mir kamen ein halbes Dutzend Gründe in den Sinn, während ich ihr durch die Halle zur Damentoilette folgte und dann die Schwelle zum Allerheiligsten selbst überschritt.
    Glücklicherweise war niemand drinnen. (Nicht, dass die draufgängerische Weezie sich darum gekümmert hätte, das vorher zu überprüfen.) Ich blieb gleich hinter der Tür stehen und wartete halb neugierig, halb

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