Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toskanische Verführung (German Edition)

Toskanische Verführung (German Edition)

Titel: Toskanische Verführung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Hille
Vom Netzwerk:
weiter. Es störte sie ein wenig, dass Hugo sehen konnte, was sie am Rechner tat, aber das ließ sich wohl nicht vermeiden.
    Warum erzählen Sie mir nicht ein wenig über ihn? , schrieb sie. Sie kennen ihn doch anscheinend recht gut. In welchem Verhältnis stehen Sie beide?
    Die Frage schien Hugo in sein Schneckenhaus zurückzutreiben. Einige Minuten blieb das Chatfenster leer und Flannery durchsuchte halbherzig noch ein wenig das Internet nach dem Grafen. Anscheinend war er in den USA mit einer Frau liiert gewesen, die aus einer der alten Ostküstenfamilien stammte. Aber die Fundstellen blieben merkwürdig vage, was Details betraf.
    Wir sind Brüder , schrak Hugos Beitrag sie auf.
    Bitte? , tippte sie. Ich habe nirgendwo etwas darüber gelesen, dass Alessandro einen Bruder hat.
    Ich bin ... , antwortete Hugo, ... wie sagt man so schön? Linkerhand. Wir sind Halbbrüder. Ich stehe nicht im Stammbuch .
    Flannery verdaute die Bemerkung. Also versteckte Alessandro della Gherardesca seinen illegitimen Halbbruder hier in seiner Bibliothek. Das klang wie etwas aus einem viktorianischen Schauerdrama.
    Ihr habt den selben Vater? , fragte sie.
    Ein widerlicher, kranker Sadist. Er möge in der Hölle verrotten! , erwiderte Hugo. Dann blieb der Cursor blinkend auf dem Ausrufezeichen stehen und bewegte sich nicht mehr.
    Flannery atmete schockiert ein. Sie beschattete die Augen mit der flachen Hand und versuchte, in dem Dunkel unter der Galerie etwas zu erkennen. Konnte sie dort nicht das Licht einer Lampe oder eines Computermonitors erkennen und einen Schatten, der reglos in ihre Richtung zu blicken schien?
    Sie war aufgestanden und auf das abgeschiedene Arbeitszimmer zugegangen, ehe sie sich selbst darüber im Klaren war, was sie tat. Wenig später stand sie vor der Tür, hob die Hand, zögerte und klopfte an. »Hugo?«, rief sie leise. »Ich würde lieber mit Ihnen reden - von Mensch zu Mensch, ohne einen Computer dazwischen.«
    In dem Zimmer regte sich zuerst nichts. Dann hörte sie einen Stuhl, der über den Boden rollte, Schritte. Jemand näherte sich der Tür. »Gehen Sie, bitte«, hörte sie eine Stimme, leise und tonlos. »Ich kann nicht.«
    Flannery legte die Hand auf das Holz, als wollte sie ihn mit dieser Berührung besänftigen. »Ich bin nicht gefährlich«, sagte sie mit einem kleinen Lachen.
    Er schwieg und sie hörte ihn atmen. »Nein«, flüsterte er. »Bitte, Flannery. Sie wollen mich nicht sehen. Ich bin schrecklich ... Sie wollen das nicht, glauben Sie mir.«
    Sie bekam eine Gänsehaut. Er klang so traurig, so unglaublich resigniert. »Warum nicht?«, fragte sie, als sie sich gefasst hatte. »Ich glaube nicht, dass Ihr Anblick mich abstoßen würde, Hugo. Was ist mit Ihnen? Wovor fürchten Sie sich?«
    Atmen. Das Scharren von Füßen, die Tür erbebte ein wenig, als hätte er sich schwer dagegengelehnt.
    »Ich hatte einen Unfall.« Seine Stimme klang seltsam, erstickt. Tonlos wie Flüstern. »Ich bin an Leib und Seele verkrüppelt, Flannery. Mein Gesicht ist entstellt. Sie möchten mich nicht sehen und ich möchte nicht, dass Sie vor mir erschrecken. Bitte.«
    Flannery legte ihr Gesicht an die Tür. »Ich ...«, begann sie und wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. »Es tut mir leid«, sagte sie dann.
    »Mir auch«, flüsterte er. »Mir auch.«
    Flannery hörte, dass er sich von der Tür entfernte, und wartete, dass er noch etwas sagte, aber es blieb still.
    Sie rief noch einmal seinen Namen, aber er antwortete nicht. Dann ging sie zu dem kleinen Fenster, das auf die Bibliothek hinausblickte, und versuchte, etwas in dem dunklen Raum dahinter zu erkennen. Es gab Licht, wahrscheinlich von einer stark abgeschirmten Schreibtischlampe. Sie konnte die Tischfläche erkennen, Papier, ein aufgeschlagenes Buch, einen altmodischen Füllfederhalter. In der Dunkelheit hinter dem Tisch schien jemand zu sitzen, reglos. Ein helleres Oval, das Gesicht? Sah er sie an? Flannery hob zögernd die Hand, berührte die Glasscheibe. Lächelte. Bildete Worte mit den Lippen: »Alles in Ordnung«. Sie wusste selbst nicht, warum sie das sagte, aber es erschien ihr in diesem Moment das Passende.
    Sie drehte sich um, rieb sich über die Arme und ging zu ihrem Platz zurück. Dort wartete ein wolkenkratzerhoher Stapel von Büchern auf sie, die in dieser Nacht noch gesichtet werden wollten.
    ***
    Hugo hatte sich nicht mehr gemeldet. Es regte sich nichts in dem kleinen Zimmer unter der Galerie, und Flannery nahm an, dass es noch einen

Weitere Kostenlose Bücher