Toskanische Verführung (German Edition)
jedenfalls ähnlich. Flannery wusste nicht, ob sie böse darüber sein sollte. Es war genau die Art von Einmischung in ihr Leben, die sie auf den Tod nicht ausstehen konnte und die sie sich verbeten hatte. Phil war ein liebenswerter Despot. Er neigte dazu, seine Liebsten am Gängelband zu führen, wenn die es zuließen.
Der Monitor, vor dem sie saß, leuchtete auf. Guten Abend, Flannery.
Sie zuckte zusammen, lächelte dann und beugte sich über die Tastatur. Hallo, Hugo.
- Hatten Sie einen schönen Tag?
Flannery überlegte. Hatte sie einen schönen Tag gehabt? Ja, schrieb sie. Ich habe gearbeitet und bin gut vorangekommen. Das ist befriedigend.
Der Cursor hüpfte und zeichnete ein ;-) Dann blieb er eine Weile blinkend stehen und fuhr schließlich fort: Das sind die Worte eines Eremiten. Sie sind eine schöne junge Frau. Sie sollten mehr vom Leben erwarten als befriedigende Arbeit.
Flannery schüttelte sacht den Kopf. Ich bin zum Arbeiten hier, nicht um mich zu amüsieren, gab sie zurück.
Aber gestern waren sie aus. Tanzen.
Flannery rieb sich über die Nase. Es war wohl wirklich Hugo gewesen, der mit dem Grafen auf der Terrasse gesessen hatte. Was hatte Alessandro ihm erzählt?
Es war kein Vergnügungsausflug, schrieb sie. Ihr Bruder hat mich als Scheidungsgrund gebraucht. Er ist nicht wirklich an mir interessiert, falls Sie das meinen . Sie sah auf, blickte ins Dunkel. Die Lampe in dem kleinen Raum brannte und sie konnte schemenhaft einen großen, etwas gebeugt sitzenden Mann erkennen, der in ihre Richtung sah. Flannery hob die Hand. Der Mann bewegte den Kopf, sonst regte sich nichts.
Sollen wir uns nicht endlich einmal ohne dieses Gerät unterhalten? , tippte Flannery. Ich würde gerne mit Ihnen reden. Richtig reden.
Eine Weile blieb die Chatbox leer. Dann tauchten zögernd Worte auf: Lassen Sie mir ein wenig Zeit, mich an den Gedanken zu gewöhnen, Flannery. Ich habe Angst vor diesem Schritt. Ich bin es nicht mehr gewöhnt, mit anderen von Angesicht zu Angesicht zu kommunizieren. Ich denke darüber nach.
Der Cursor stoppte. Flannery wollte gerade antworten, als noch ein paar Worte auftauchten: Ich habe Sie sehr gerne, Flannery. Sie sind freundlich zu mir. Ich möchte gerne Ihre Stimme hören. Morgen, wenn ich mich traue ...?
Flannery wandte ihren Blick nicht von der Gestalt im Dunkel ab. Morgen, antwortete sie und nickte beschwörend. Ich freue mich, Hugo. Haben Sie keine Angst vor mir, bitte! Und ... danke für die Rosen.
Er antwortete nicht. Die Gestalt saß reglos da. Flannery glaubte, die rötliche Glut einer Zigarette zu erkennen. Er starrte sie an. Sie senkte den Blick. Hugo machte sie nicht weniger nervös als Alessandro. Diese zwei waren - jeder auf seine Art - seltsam, verschroben, exzentrisch und in gewisser Weise menschenscheu. Aber bei Hugo war das zumindest verständlich.
Mit einem Mal konnte Flannery den Gedanken nicht mehr ertragen, beobachtet zu werden. Hugos unsichtbare Gegenwart, seine Reglosigkeit, die Blicke, die sie auf sich gerichtet fühlte, egal, was sie tat, ließen ihre Nerven flattern. Sie räumte den Tisch auf, nahm ihr Notizbuch und das Notebook und ging zur Tür, ohne sich noch einmal zu Hugo umzudrehen. An der Tür löschte sie das Licht und fühlte, wie eine Last von ihr abfiel. Dieses Haus, diese beiden seltsamen Brüder, das alles begann sie zu zermürben. Es war gut, dass Phil kommen und ihr den Kopf wieder ein wenig zurechtrücken würde. Sie brauchte das. Dringend.
23
Sie hatte früh am Morgen flüchten wollen, Flavio fragen, ob er frei war oder ein Taxi rufen und sich nach Livorno fahren lassen. Bummeln, unter ganz normalen Menschen sein, Urlaubern, Einheimischen, in einer Trattoria etwas essen, im Schatten an einer Promenade sitzen und Espresso trinken, ein bisschen durch die Läden laufen, den Kopf frei bekommen von all dem, was sie belastete.
Sie hatte Flavio gefunden, der wie immer an einem der glänzenden Sportwagen herumpolierte, und der junge Chauffeur hatte sich gefreut, dass sie mit ihm in die Stadt fahren wollte und war davongeeilt, um die Erlaubnis dafür zu holen.
Darüber hatte Flannery nicht nachgedacht. Natürlich konnte Flavio nicht einfach so losfahren, ohne den Grafen davon in Kenntnis zu setzen.
Sie hockte sich auf eine Treppenstufe und schloss die Augen. Es war noch früh am Tag, aber die Sonne brannte schon mit Kraft herunter. Ein schwaches Lüftchen fächelte über Flannerys Stirn und brachte angenehme Kühlung.
Schritte knirschten
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