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Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)

Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)

Titel: Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Lyons
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auftreiben konnte. Ist beinahe zehn Jahre alt. Inzwischen ist er fünfunddreißig, drei ältere Geschwister, der Vater ist Banker, arbeitet bei Chase, die Mutter ist Hausfrau. Und es gibt ein paar kleinere Delikte.«
    »Ist er vorbestraft?«
    »Nein, alles harmlos. Er surft gerne – und da ist ihm egal, wem der Strand gehört. Ein halbes Dutzend Festnahmen wegen unbefugtem Betreten von Privatgelände. War in Stanford, mittelmäßige Noten. Abschluss in Buchführung. Ach ja, den Bachelor hat er in Komposition und Musiktheorie, ausgerechnet. Ich kann versuchen, ehemalige Freunde oder Verwandte aufzutreiben, wenn du möchtest; vielleicht hat jemand von ihm gehört, aber ich sage dir, wenn ein Freak wie Korsakov es auf mich abgesehen hätte, dann würde ich nicht lange fragen, wie lange er in den Knast geht, ich würde mir ein Loch bis nach China graben und Gras drüber wachsen lassen.«
    Caitlyn trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. Dank der doppelten Dosis Schmerzmittel war ihr Kopfschmerz nur mehr ein dumpfes Pochen. Nach dem gestrigen Abend hatte sie vorgesorgt.
    »Nein. Schick mir einfach die Liste, und falls es nötig sein sollte, kann ich da selbst nachhaken. Ich will nicht, dass du unnötig was riskierst. Und könntest du mich über Korsakovs Verhandlung auf dem Laufenden halten?«
    »Na sicher, was immer du willst. Aber du musst mir verraten, was es mit alldem auf sich hat, sobald du wieder Luft hast, versprochen?«
    »Das mache ich. Danke, Royal!«
    »Keine Ursache. Und falls du jemals einen Anwalt brauchst …«
    »Dann bist du der Letzte, den ich anrufe. Bleib locker!«
    »Bin ich das nicht immer?«
    Sie legte auf und nahm ihren zerfledderten Straßenatlas zur Hand. Navigationsgeräte mit ihrem ständigen »Neue Route wird berechnet«, sobald man einmal vom Weg abwich, waren ihr zuwider. Der Umweg über Hartford würde nur ein paar Stunden mehr bedeuten. Caitlyn stellte den Automatikhebel auf Fahren. Sie könnte Jack Logan persönlich besuchen – vielleicht gab er etwas preis, wenn er so überrumpelt wurde – und dennoch bis zum Nachmittag in Hopewell sein. Der ganze Wagen vibrierte von der schnellen Fahrt über den Asphalt, doch sie hielt eisern das Gaspedal durchgedrückt – all ihre Instinkte sagten ihr, dass ihr die Zeit davonlief.

14
    Sarah holte mühsam Luft, drehte sich auf den Rücken und blickte nach oben in das schwindelerregende Blau des Himmels. Sie konzentrierte sich auf ihren Atem. Ein Leben lang hatte sie einfach so Luft geholt, das sollte also nicht so schwer sein. Doch ihre Kehle war wie zugeschnürt.
    Sam war da unten. Was bedeutete, dass er tot war, wirklich tot. Und wenn das für ihn galt, dann auch für Josh.
    Sie hatte es gewusst. Es jedoch niemals tatsächlich geglaubt, jedenfalls nicht von Herzen, bis zu diesem Moment. Sie kniff die Augen fest zusammen, um das viel zu fröhliche Sonnenlicht und die brennenden Tränen zurückzudrängen.
    Vielleicht war das auch gar nicht Sam. Wer konnte aus dieser Entfernung schon jemanden erkennen?
    Doch der Verstand sagte ihr, dass dies närrische Gedanken waren, dass sie sich einfach die Wahrheit nicht eingestehen wollte. Sam war der einzige erwachsene Mann, der in den letzten Jahren auf dem Snakehead verschwunden war. Sarah setzte sich auf, der Schwindel verzog sich. Sie legte das Fernglas ab, griff zu dem kleinen Funkgerät, das Hal ihr geliehen hatte, und sprach hinein.
    »Hal? Hier spricht Sarah, hört mich jemand?«
    Einige Zeit war nur statisches Rauschen zu hören. Dann kam Hals Stimme durch den Äther, beruhigend und gefasst. »Alles klar bei dir, Sarah?«
    »Mir geht’s gut. Ich, äh, ich habe hier oben etwas gefunden, von dem du wissen solltest.«
    Eine weitere längere Stille folgte. Dann hörte sie im Hintergrund Männerlachen und Besteck klappern. Wahrscheinlich war er gerade im Rockslide frühstücken. »Was gibt’s denn?«
    »Ich bin oben beim Snakebelly . Dort unten liegt ein Mann.«
    »Soll ich ein Rettungsteam zusammenstellen?« Er klang ein wenig zerstreut, fast schon unbeschwert. Ihm schien die Tragweite ihrer Worte gar nicht bewusst zu sein.
    Sie atmete tief durch. Das war eventuell Sam, über den sie hier sprachen. Hoffentlich war der Colonel nicht in Hörweite. »Nein. Ich denke, du rufst besser den Leichenbeschauer an.«
    Das Gerät stotterte, als hätte am anderen Ende jemand angefangen zu sprechen, dann aber den Finger vom Schalter genommen. Endlich kam seine Stimme zurück. Langsamer, grimmig. Die

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