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Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)

Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)

Titel: Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Lyons
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Flickenpuppe im Leichensack umhergekullert war. Sie hatten extra eine Rettungstrage herbeigeschafft und Lily darauf festgeschnallt, damit bei der Bergung nicht noch mehr Schaden angerichtet wurde. Dennoch hatte Hal darauf bestanden, den Sack zu öffnen, Lily aus dem Plastikleichentuch zu wickeln und sie sich mit eigenen Augen anzusehen.
    Schaudernd dachte sie an den gespenstischen Verzweiflungsschrei zurück, den Hal daraufhin ausgestoßen hatte. Sarah warf einen Blick über die Schulter. Hal stand hinter seinem Wagen und zog sich gerade das T-Shirt über den Kopf. Sie war froh, dass es ihr Seil war, das sie im Snakebelly zurückgelassen hatten, um eventuell später noch weiterzusuchen – und sie würde es hoffentlich hinbekommen, dass Hal nicht noch einmal selbst herkommen musste.
    Kein Wunder, dass er sich eigenartig benahm. Mochte er auch den Ehering abgelegt haben, seine Schuldgefühle hatte er offensichtlich nicht abschütteln können. Denn an jenem Tag war er nicht zu Hause bei Lily gewesen, sondern hatte ein paar idiotische Jugendliche aus dem Stausee gefischt.
    »Lily. Ach ja«, murmelte Gerald, ehe er die Tür hinter dem toten Fremden zuschlug und damit ihr Gespräch beendete. »Richten Sie ihm aus, dass ich alles vorbereite und ihn dann unten treffe!«
    Er fuhr los, gab allerdings zu viel Gas, sodass der große Geländewagen übersteuerte und auf der furchigen Forststraße hin und her schlingerte. Sarah blickte der Staubwolke nach, bis sie hörte, wie Hal seine Wagentür öffnete.
    »Kommst du?«, rief er über das leise Brummen des Motors hinweg. Sie langte nach ihrem Rucksack und sprang auf den Beifahrersitz. Sie fuhren den engen verschlungenen Waldweg hinunter. »Soll ich dich zu Hause absetzen?«
    »Nein, das Rockslide ist auch in Ordnung.«
    »Wie du willst.«
    Ein paar Minuten holperten sie schweigend über die Straße. Hal war normalerweise ein bedächtiger Fahrer, doch jetzt steuerte er den Wagen nachlässig durch die engen Kurven und gab viel zu viel Gas, bis der Wagen fast zur Seite kippte. Sarah klammerte sich an ihrem Sitz fest und trat auf ein nicht vorhandenes Bremspedal.
    »Wenn du auf mich gehört hättest, könntest du jetzt mit Alan in Montreal sein, anstatt hier verrottete Leichenteile durch die Gegend zu tragen.«
    Sein Ton ließ sie zusammenfahren. Er war wirklich wütend. Etwa auf sie? »Ich musste –«
    »Nein.« Die Silbe zerschnitt die Luft zwischen ihnen. »Nein. Du musst endlich loslassen. Das wäre es, was Sam gewollt hätte. Und das weißt du, Sarah. Mach nicht dieselben Fehler wie ich!«
    Sie starrte ihn an. Das klang so gar nicht nach Hal. Jemandem vorzuschreiben, wie er sein Leben zu führen hatte? »Tut mir leid, dass ich dich gerufen habe. Ich hätte daran denken sollen, dass morgen der Jahrestag ist … «
    Sie verschluckte den restlichen Satz, weil er sich zu ihr umdrehte und sie wütend anstarrte. Dabei entging ihm die Haarnadelkurve vor ihnen, erst im letzten Moment riss er das Lenkrad herum. Sarah wurde nach vorne geschleudert und fing sich mit beiden Händen am Armaturenbrett ab.
    »Das hat nichts mit Lily zu tun.« Er atmete tief durch. »Na gut! Vielleicht doch. Deswegen will ich ja auch, dass du wegfährst. Noch heute Abend. Du und Alan, ihr solltet für ein langes Wochenende von hier verschwinden.«
    »Warum heute Abend?«, wollte sie wissen.
    »Ich werde den Colonel morgen um ein außerplanmäßiges Treffen des Gemeinderats bitten. Es ist längst überfällig, dass ich denen mal erzähle, was ich wirklich über die Zustände hier in letzter Zeit denke.« Er krallte sich am Lenkrad fest, als wollte er es aus der Verankerung reißen.
    »Hal, warte doch noch einen Tag! Nicht gerade morgen.«
    Er schüttelte den Kopf, den Blick fest auf die Straße geheftet. »Nein. Es muss sein. Aber ich will nicht, dass du dabei bist und zwischen den Stühlen sitzt. Es könnte hässlich werden. Richtig hässlich.« Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, er schluckte einmal, noch einmal. »Vor zwei Jahren, als Lily … zunächst war ich wütend. Als Sam zu mir kam und sagte, dass die Versicherung nicht bezahlen würde, dass ich auch noch das Haus verlieren würde –«
    »Er konnte nichts dafür«, wandte Sarah ein. »Keine Versicherungsgesellschaft zahlt bei … wenn jemand sich das Leben nimmt. Er hat versucht, dir zu helfen.«
    »Ich brauche keine Almosen!«
    Seine Worte trafen sie wie ein Kugelhagel. Das war nicht Hal, der Mann, der niemals die Stimme erhob oder sich beschwerte,

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