Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)
verursachen. Sie trat zwei Schritte vor und blickte nach links, wo eigentlich Hal sein sollte. Doch er und das Auto waren verschwunden, vom Nebel verschluckt worden.
Wenn aber ein Blinder den anderen führt … Sie lief in die Richtung, in der sich die Hütte befinden musste, folgte dabei einem ebenen, ausgetretenen Weg, ganz allein im weißen Nichts. Dann erstarrte sie. Stimmen drangen durch die Nacht, allerdings zu schwach, um herauszufinden, woher genau sie kamen.
Sie hatte keinerlei Möglichkeit, sich mit Hal zu verständigen. Anfängerfehler , schalt sie sich selbst. Das hatte sie von dem Gehetze. Sie zog die Waffe und näherte sich den Stimmen; vermutlich hatte sie auch denjenigen vor sich, der den Schuss abgefeuert hatte.
Ihre Handflächen waren feucht. Der verdammte Nebel war klamm und klebte wie eine zweite, nasse Haut an ihr. Sie wischte sich nacheinander beide Hände am T-Shirt ab.
Ihr Fuß stieß gegen eine Betonmauer. Blind streckte sie die Hand aus. Vor ihr befanden sich ein paar Stufen und oben am Treppenabsatz eine Holztür. Nachdem sie ein paarmal geblinzelt hatte, stellte sie dankbar fest, dass die Migräne nachgelassen hatte und sie inzwischen wieder normal sehen konnte. Angestrengt versuchte sie die leise murmelnden Stimmen hinter der Tür zu verstehen, da bewegte sich mit einem Mal die Klinke.
Sofort sprang sie von der Treppe und brachte sich seitlich neben der Tür in Stellung. Ihr schlug das Herz bis zum Hals, Adrenalin jagte durch ihren Körper.
Sie hob ihre Waffe und wartete.
36
Sarah versuchte, ihm Vernunft beizubringen. »Sam, verschwinde von hier! Die Polizei ist unterwegs.« Einer von ihnen beiden musste schließlich Josh in Sicherheit bringen, nun, da Alan und Logan wussten, wo er sich aufhielt.
»Nein. Ich gehe nicht ohne dich.« Sie hatte vergessen, wie verflucht stur er sein konnte. Er streckte eine Hand aus, mit der Handfläche nach oben. »Gib mir die Waffe! Ich werde mich um ihn kümmern.«
Die Hand zitterte, und seine Lippen waren blass, dennoch klang er fest entschlossen. Sarah zögerte, beschämt, weil sie es nicht geschafft hatte, abzudrücken und Logan zum Schweigen zu bringen. Das war eben etwas anderes, als hier hereinzuplatzen und sich einem bewaffneten Mann entgegenzustellen. Es käme einer Hinrichtung gleich.
Damian Wrights Gesicht tauchte vor ihrem geistigen Auge auf. »Nein. Ich werde keinen unbewaffneten Mann töten, und du könntest das auch nicht. Das weißt du so gut wie ich, Sam Durandt.«
Beim Klang seines Namens blickte er zu ihr auf. Nun, es war der Name, unter dem sie ihn gekannt hatte, dachte sie wehmütig. »So ein Mensch bist du nicht«, fuhr sie fort. »egal unter welchem Namen.«
»Du kennst mich nicht«, beharrte er und hielt die Hand weiter ausgestreckt. »Ich kann es tun. Ich muss. Um dich und Josh zu retten.«
»Seien Sie kein Idiot«, mischte Logan sich ein, der zwischen ihnen beiden auf dem Boden saß. »Das bringen Sie nicht fertig. Dann wären sie nicht besser als Korsakov. Und haben Sie nicht deswegen all das auf sich genommen? Um zu beweisen, dass sie nicht wie er, dass sie kein Mörder sind?«
»Klappe!«, fuhr ihn Sam an. Sarah beobachtete, wie er sich die Seite rieb, dort, wo die Narbe war.
»Er hat recht, Sam.« Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. Spürte, wie er die Muskeln anspannte.
»Hören Sie auf die hübsche Lady! Außerdem brauchen Sie mich. Zumindest wenn sie beide das hier überleben wollen.«
»Und wie wollen Sie das anstellen?«, fragte Sarah.
»Ganz einfach. Alan und ich sind nicht euer größtes Problem. Sondern der Russe. Ihr lasst mich gehen, gebt mir das Geld, dann bringe ich ihn für euch um. Ende gut, alles gut. Ihr zwei könnt dann mit dem kleinen Josh in den Sonnenuntergang reiten und lebt glücklich bis an euer Lebensende.«
Sam runzelte die Stirn. »Und was ist mit Alan?«
Logan zuckte mit den Schultern, als wäre Alan unwichtig. »Kein Problem. Den erledige ich umsonst.«
Sarah packte Sam noch fester am Arm, um ihn in die Realität zurückzuholen. »Sam. Wir reden hier darüber, Menschen umzubringen. Kaltblütiger Mord.«
»Ist es Mord, wenn sie uns umgekehrt töten würden, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken?«, gab er zurück. »Oder es bereits versucht haben?«
Motorengeräusche drangen durch die Nacht, Kies knirschte unter den Reifen eines Wagens. Sarah blickte aus dem Fenster, doch es war beschlagen und sie konnte in dem dichten Nebel draußen nichts erkennen. Stattdessen sah sie sich
Weitere Kostenlose Bücher