Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
Grundschule und ich hatte ihn als einen hibbeligen Schlaks mit roter Brille in Erinnerung. Jetzt entdeckte ich ihn auf Studi-VZ. Auf seinem Profilfoto im Netz trug er keine rote Brille mehr. Er hatte ein markantes Kinn bekommen und grinste frech in die Kamera, und das gefiel mir.
Ich schickte ihm eine Nachricht und dann verging fast ein halbes Jahr, in dem wir uns regelmäßig schrieben. Ein erstes Thema für unsere Mails hatten wir: Fabi war Nachtportier in einem Designhotel, in dem die Dichte der echten VIPs tatsächlich ziemlich hoch war, höher als im Royal und höher natürlich als im Diamant, vom Bremer Hof mal ganz zu schweigen.
Fabi konnte wunderbar lustige Geschichten erzählen. Wie er einmal einer Ministerin in die Arme gelaufen war zum Beispiel, die den Weg von der Toilette zurück ins Restaurant nicht fand, oder von dem indischen Gast, den er nachts am Rezeptionscomputer erwischte, wo er gerade
versuchte, sich übers Internet ein bisschen weibliche Unterhaltung für die Nacht zu bestellen. Von einem ehemaligen Fußball-Weltstar aus Südamerika, der sich mit einem weiblichen Groupie auf dem Zimmer vergnügte, während ihr Freund unten in der Lobby wartete – bis dieser schließlich auch aufs Zimmer gerufen wurde. Von einem Zimmermädchen, das mit dem Chef ins Bett ging, und deshalb zum »Executive Housekeeper« ernannt wurde, weshalb sie im Personalbüro umgehend Visitenkarten verlangte mit der Aufschrift: »Exklusiver Housekeeper«.
Als wir uns zum ersten Mal trafen, im Schwarzen Café in der Kantstraße, tranken wir drei Flaschen Shiraz und redeten bis morgens um acht. Er war so gut gekleidet, er war groß, er sah gut aus. Kurz darauf wurden wir ein Paar.
Ich weiß nicht, ob Hotelmenschen mit Nicht-Hotelmenschen Beziehungen führen können. So wie sich die Filmschauspieler, die bei Fabi im Hotel verkehren, zusammentun, suchen sich auch Hotelleute mit großer Regelmäßigkeit Kollegen als Partner. Sara ist mit einem Kollegen aus demselben Hotel liiert, und auch Katja war eine Zeit lang mit einem Kollegen zusammen.
Wer will schon einen Freund haben, der am Wochenende nie Zeit hat? Der regelmäßig nicht neben einem liegt, wenn man einschläft? Der nicht mal sagen kann, ob er am Geburtstag mitfeiern kann?
Mit Fabi war das plötzlich ganz einfach: Wenn er da war, freute ich mich, und wenn er nicht da war, wusste ich, dass er keine absurden Arbeitszeiten vortäuschte, um fernzubleiben, er konnte wirklich nicht anders. Eine
Freundin aus dem normalen Leben hätte ihm sicher Stress gemacht. Sie hätte ihm vielleicht auch nicht geglaubt, wenn er ihr beteuerte, wie egal ihm die Frauen waren, die bei ihm im Hotel zu Gast waren.
Wann immer es ging, schlenderten wir samstags über den Markt am Winterfeldtplatz, der so dicht mit Ständen übersät ist, dass man sich, wenn man mittendrin steht, einbilden kann, der Markt ende nie. Es ist keiner dieser Biomärkte, auf denen alles, was verkauft wird, so korrekt ist, dass man nur noch an alles Schlechte in der Welt denken kann. Hier mischen sich Nippes-Händler, Bäcker und Aufbäcker, Hähnchengriller und Alte-Apfelsorten-Spezialisten mit Anbietern von Schmuck, der meiner Mutter gut gefällt. Manchmal blieben wir Stunden auf dem Markt, tranken Kaffee oder Sekt oder beides und aßen Kuchen. »Einen Markttag machen«, nannten wir das.
Als ich mich zum Ende der Schulzeit daranmachte, Bewerbungen zu schreiben, half mir Fabi. Er kannte sich gut mit Photoshop und Formatierungen in Word aus, und als nach zwei Abenden meine Mappe fertig war, war ich geradezu euphorisch.
Die Seite hotelcareer.de löschte ich vorsichtshalber aus meiner Bookmark-Liste. Ich musste es diesmal einfach schaffen.
Ich verschickte dreiundvierzig Bewerbungen an ganz unterschiedliche Firmen. Assistenz der Geschäftsführung, Projektassistenz, Bürokraft. Es kamen zweiundvierzig Absagen und eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, in dem ich gefragt wurde, ob ich auf der Hotelfachschule
gelernt hatte, Teller zu polieren. Hatte ich zwei Jahre lang studiert, um mich hinterher dafür veräppeln zu lassen?
Unsere Lehrer hatten also recht behalten.
In der vierundvierzigsten Annonce, auf die ich antwortete, stand: »Für unseren Kunden suchen wir …« Ich begriff nicht sofort, dass so Zeitarbeitsfirmen inserieren und am Ende war es mir auch egal. Ich nahm, was sie mir boten, und so wurde aus mir eine Büroaushilfe, die mal in diese Firma und mal in jene geschickt wurde. Oft dauerte ein Einsatz
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