Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
die es bis in die Geschäftsführung der Firma geschafft hatten. Ebenso gut hätten wir uns Geschichten erzählen können von Menschen, die auf dem Flohmarkt vor dem Schöneberger Rathaus einen echten Picasso für fünf Euro kaufen.
Ich schrieb weiter Bewerbungen, gefühlt so viele wie ich an manchen Tagen Briefe faltete. Und tatsächlich meldete sich irgendwann die Geschäftsführerin eines Immobilienbüros, die sich mich mal »angucken« wollte. Ich bekam den Job. Brutto eintausendsiebenhundert Euro. So viel hatte ich noch nie zuvor verdient. Immobilien! Am Abend vor meinem ersten Arbeitstag konnte ich vor Vorfreude nicht einschlafen.
Es dauerte genau zehn Arbeitstage, bis mir die Frau abends in einer E-Mail von ihrem BlackBerry aus mitteilte, sie habe den Eindruck, dass wir nicht »miteinander harmonieren« und dass es darum keinen elften Arbeitstag mehr geben werde.
Ich schrieb ihr zurück, welchen Bruchteil der eintausendsiebenhundert Euro sie mir bitte überweisen solle. »Liebe Grüße, Anna«. Ich blieb auch da noch höflich. Ich grübelte lange, was sie gestört haben könnte, welche Art von Harmonie uns fehlte. Ich kam zu keinem Ergebnis. Vielleicht hätte sie mir auch schreiben können: »Mir gefällt dein Gesicht nicht.« Das wäre wenigstens ehrlich gewesen.
Mitarbeiter des Monats
Zum ersten Mal in meinem Leben war ich arbeitslos. Ich hatte das nicht kommen sehen. Aber war es nicht seltsam, dass das genau in dem Moment passierte, als ich einen besseren Job haben wollte? Wird nicht ständig gefordert, man solle sich aufraffen, sich selbst verbessern? Was würde wohl einer jener Leistungsprediger, den die Politik bereithält, zu meinem Fall sagen? Sind Leistung und Fortbildung wirklich von allen gewollt? Oder gibt es ein paar Leute, Leute wie ich, die gefälligst weiter das machen sollen, was sie immer schon gemacht haben?
Heißt es nicht auch: Schuster, bleib bei deinem Leisten? Mädchen, bleib bei deiner Wäsche. Einmal Putzfrau, immer Putzfrau. Einmal Zimmermädchen, immer Zimmermädchen. Die Missbilligung, die mich diesmal traf, war anders als die, die ich im Royal kennengelernt hatte. Diesmal traf sie mich aus der Mitte der Gesellschaft: Personalchefs und Personalchefinnen aus nicht mal mittelgroßen Firmen hatten nicht das geringste Interesse, sich von meinen Fähigkeiten zu überzeugen. Anna K., 29, Ex-Zimmermädchen für immer.
Fabian und ich machten weiter unsere Markttage. Es machte nur weniger Spaß. Am Geld lag das nicht, davon
hatten wir noch nie im Überfluss gehabt, und weil meine Mutter mir auch jetzt noch hin und wieder etwas überwies, litt ich auch als arbeitslose Betriebswirtin weniger finanzielle Not, als man denken könnte. Es lag eher daran, dass die Stunden auf dem Markt nicht mehr so kostbar waren wie zuvor. Ich hätte ja an jedem Tag über irgendeinen Markt schlendern können.
Dafür klickte ich mich doch wieder durch die Stellenanzeigen der Berliner Hotels. So müssen sich Alkoholiker fühlen, wenn sie doch wieder eine Flasche aufmachen: von sich selbst enttäuscht.
Fabi war so nett, mich nicht damit aufzuziehen, dass ich doch wieder bei den Hotels nachschaute. Ich glaube, dass er es ohnehin nie so ganz verstanden hat, dass ich nicht mehr im Hotel arbeiten möchte. Er ist ein Mann. Ihm machen manchmal ältere Damen schöne Augen oder bitten um eine exklusive Stadtführung, aber noch nie hat man ihm Geld hingehalten und eine heiße Nacht versprochen. Er musste auch noch nie einem nackten Mann Tee aufs Zimmer bringen. Und vor der nackten Frau, die ihn einmal empfing, hatte er natürlich keine Angst.
Dass er zu viel arbeitet und zu wenig verdient, nimmt Fabian mit einer Gelassenheit hin, die sein Chef sicher sehr zu schätzen weiß. Er hat tatsächlich die Gabe, das, was ihm im Job passiert, nicht zu ernst zu nehmen und trotzdem nicht zynisch zu werden. Er hat vielleicht wirklich gute Chancen, in seinem Hotel aufzusteigen. Wer weiß, vielleicht erfüllt sich bei ihm das Unglaubliche und er bekommt eines Tages eine Traumstelle in seinem schicken Hotel.
Ich zog es vor, in der Nacht vor meinem ersten Bewerbungsgespräch in meiner eigenen Wohnung zu übernachten. Nicht dass ich beim Kaffee noch in Tränen ausbrach.
»Empfangsmitarbeiterin« stand in der Ausschreibung und auch, dass ich idealerweise große Leidenschaft für besonderen Service mitbringen möge und den Anspruch, die Wünsche der Gäste schon zu erfüllen, bevor sie diese überhaupt ausgesprochen hatten. Nun
Weitere Kostenlose Bücher