Total Control (Das Labyrinth)
durch die Windschutzscheibe. »Ich . ich bin nicht sicher«, flüsterte sie vage. Dann war die Leitung tot.
Sawyer legte den Hörer auf, kramte in der Hosentasche nach der Packung Marlboro und zündete sich eine weitere Zigarette an. Während er rastlos im Zimmer auf und ab lief, benutzte er die Handfläche als Aschenbecher. Er blieb vor der Wand stehen, betastete das faustgroße Loch darin und überlegte ernsthaft, ein zweites hinzuzufügen. Statt dessen trat er ans Fenster und starrte hinaus in die frostige Dezembernacht.
Unmittelbar nachdem Sidney ins Haus zurückgekehrt war, trat der Mann aus dem Schatten der Garage hervor. In der eisigen Luft bildete sein Atem kleine Rauchwölkchen. Er öffnete die Tür des Landrover. Als die Innenbeleuchtung des Wagens anging, funkelten die kalten blauen Augen im sanften Licht wie schrecklich anzusehende Juwelen.
Fachmännisch durchsuchten Kenneth Scales’ behandschuhte Hände das Auto, brachten jedoch nichts Interessantes zutage. Danach ergriff er das Telefon und drückte auf Wahlwiederholung. Nur einmal klingelte es, bevor am anderen Ende der Leitung Lee Sawyers aufgeregte Stimme erklang. Lächelnd lauschte Scales den eindringlichen Worten des FBI-Agenten, der offenbar glaubte, Sidney Archer hätte nochmals angerufen.
Scales unterbrach die Verbindung, schloß leise die Wagentür und erklomm die Treppe zum Haus. Aus einem Lederetui am Gürtel zog er das Stilett, mit dem er Edward Page getötet hatte. Er hatte sich schon um Sidney kümmern wollen, als sie aus dem Wagen stieg, doch er war nicht sicher gewesen, ob sie bewaffnet war. Ihre Fähigkeiten im Umgang mit Schußwaffen hatte er bereits kennengelernt. Außerdem verließ er sich beim Töten auf die völlige Überraschung seiner Opfer.
Leise schlich er durch das Erdgeschoß und suchte nach der Lederjacke, die Sidney getragen hatte, fand sie jedoch nicht. Die Handtasche lag auf der Anrichte, doch sie enthielt nicht, was er wollte. Er ging hinüber zur Treppe in den ersten Stock. Dort hielt er inne und neigte den Kopf. Das Geräusch, das über das Peitschen des Windes hinweg von oben an sein Ohr drang, zauberte ein Lächeln auf seine Lippen. Wasser wurde in die Badewanne eingelassen. In dieser bitterkalten Winternacht im ländlichen Maine bereitete sich die einzige Bewohnerin des Hauses auf ein angenehm heißes, beruhigendes Bad vor.
Leise erklomm er die Stufen. Die Schlafzimmertür an der Treppenflucht war geschlossen, dennoch konnte er deutlich hören, wie im angrenzenden Badezimmer Wasser rann. Dann wurde das Wasser abgedreht.
Scales verharrte noch eine Weile, während er sich vorstellte, wie Sidney Archer in die Wanne stieg und ihre Glieder von dem wohlig warmen Wasser umschmeicheln ließ. Dann trat er vor die Schlafzimmertür. Zuerst wollte er sich das Paßwort beschaffen, dann eine Weile mit der Hausherrin verbringen. Sollte er nicht finden, wonach er suchte, würde er ihr versprechen, sie im Austausch für ihr Geheimnis am Leben zu lassen, danach würde er sie töten. Flüchtig überlegte er, wie die attraktive Anwältin wohl nackt aussehen mochte. Nach dem zu schließen, was er bisher von ihr kannte, mußte sie einen überaus ansprechenden Anblick bieten. Und er war keineswegs in Eile. Die Reise an die Ostküste von Maine war lang und beschwerlich gewesen. Er verdiente ein wenig Entspannung, dachte er, während er sich das bevorstehende Ereignis ausmalte.
Scales stellte sich mit dem Rücken zur Wand, das Messer im Anschlag, neben die Tür, legte die Hand auf den Knauf und drehte ihn so gut wie geräuschlos herum.
Der Schuß der Schrotflinte, der die Tür in ihre Bestandteile auflöste und mehrere Körner der Magnum-Ladung in seinen Unterarm jagte, war nicht annähernd so leise. Scales schrie auf und stürzte die Treppe hinab. Athletisch rollte er sich ab und landete praktisch aufrecht; krampfhaft umklammerte er den blutigen Arm. Als Sidney Archer, vollständig angezogen, aus dem Schlafzimmer stürmte, riß er den Kopf hoch. Neuerlich betätigte sie den Abzug der Schrotflinte, und Scales schaffte es gerade noch, aus der Bahn zu springen, bevor ein weiterer Schuß genau dort einschlug, wo er eine Sekunde zuvor gestanden hatte. Zwar herrschte nahezu vollkommene Dunkelheit im Haus, doch wenn er sich bewegte, konnte sie ihn ausfindig machen. In seiner Zwangslage kauerte er sich hinter das Sofa. Früher oder später würde Sidney Archer wagen, das Licht einzuschalten, und die tödliche Gewalt der Schrotflinte
Weitere Kostenlose Bücher