Total Control (Das Labyrinth)
Gesicht und vermischten sich mit den Schneeflocken. Sie hielt ihre Tochter so fest, als wolle sie sie nie wieder loslassen. Amy konnte nicht ahnen, daß sie heute Nacht um ein Haar ihre Mutter verloren hätte. Hätte die Klinge ein paar Zentimeter in der anderen Richtung getroffen ... Hätte ihre Mutter Sidney eine Sekunde später erkannt ... Aber davon würde das kleine Mädchen nie erfahren. Sidney Archer hingegen wußte es nur allzu gut, und deshalb drückte sie ihre Tochter so fest wie nur möglich an die Brust, während heftige Krämpfe ihren Körper schüttelten.
Bill Patterson kam um den Wagen herum und schloß seine Tochter in eine innige Umarmung. Auch der kräftige Mann zitterte nach diesem jüngsten Alptraum am ganzen Leib. Sidneys Mutter gesellte sich zu ihnen, und die vier standen im Kreis und umarmten einander schweigend. Obwohl sich zunehmend Schnee auf ihnen sammelte, rührten sie sich nicht; sie hielten sich einfach nur fest.
Dem Mann war es gelungen, das Fahrzeug freizubekommen, und nun rannte er auf das Haus der Pattersons zu, in dem nach wie vor Stille herrschte.
Eine Minute später war von Stille nichts mehr zu bemerken; langsam wurde die Anrichte hochgehoben, danach zornig beiseite geschleudert; wiederum barst knirschend Holz. Mit Hilfe seines Kollegen stand Scales unter Schmerzen auf. Sein Gesichtsausdruck ließ unmißverständlich erkennen, daß Sidney Archer Glück hatte, im Augenblick außerhalb seiner tödlichen Reichweite zu sein.
Als Scales zurückhumpelte, um sein Messer aufzulesen, bemerkte er den Zettel, den Sidney verloren hatte - Jasons EMail. Er hob ihn auf und sah ihn sich an.
Fünf Minuten später saßen er und sein Gefährte bereits im schwer beschädigten Wagen. Scales griff zum Telefon und gab eine Kurzwahl ein. Es war an der Zeit, Verstärkung zu rufen.
KAPITEL 54
Gegen zwei Uhr dreißig morgens fuhr ein höchst aufgeregter Lee Sawyer durch einen Schneesturm, der bis zum Nachmittag die Gewalt eines Blizzards zu erreichen drohte, ins Büro. Über der gesamten Ostküste entluden sich zur Zeit starke Winterstürme, die ohne weiteres bis Weihnachten andauern konnten.
Sawyer ging direkt in den Konferenzraum, wo er die nächsten paar Stunden damit verbrachte, den Fall anhand der Akten, seiner Notizen und seines Gedächtnisses aus allen möglichen Blickwinkeln zu beleuchten. Sein Hauptziel bestand darin, die Indizien, soweit er sie jetzt kannte, in einen einigermaßen logischen Zusammenhang zu bringen. Das Problem dabei war, daß so vieles noch keinen Sinn ergab, überwiegend deshalb, weil er nicht sicher war, ob er es mit einem oder mit zwei Fällen zu tun hatte: Lieberman und Archer zusammen oder Lieberman und Archer getrennt. Darauf lief es letztlich hinaus.
Er notierte sich einige neue Ansätze, die ihm in den Sinn kamen, jedoch erschien keiner davon allzu vielversprechend. Dann griff er zum Telefon, wählte die Nummer des Labors und verlangte Liz Martin, die Technikerin, die den Lumalite-Test an der Limousine durchgeführt hatte.
»Liz, ich muß mich bei dir entschuldigen. Dieser Fall macht mir ziemlich schwer zu schaffen, und ich habe es an dir ausgelassen. Ich hab’ mich danebenbenommen, und es tut mir leid.«
Liz lächelte. »Entschuldigung angenommen. Wir stehen alle unter Druck. Was liegt an?«
»Ich brauche deinen fachmännischen Rat als Computerexpertin. Was weißt du über Datensicherungssysteme?«
»Merkwürdig, daß du danach fragst. Mein Freund ist Rechtsanwalt und hat mir erst kürzlich erzählt, daß es sich dabei im Augenblick um eines der strittigsten Themen im juristischen Bereich handelt.«
Sawyers Gesicht verriet reges Interesse. »Wieso das?«
»Nun, Datensicherungen stellen eine mögliche Beweisquelle in Gerichtsverfahren dar. Zum Beispiel: Ein Mitarbeiter einer Firma schreibt eine interne Mitteilung oder eine E-Mail mit Informationen, die der Firma schaden. Später löscht er die Mitteilung und zerstört sämtliche Kopien. Man sollte meinen, sie sei für immer verloren, oder? Falsch, denn bei einem Datensicherungssystem besteht durchaus die Möglichkeit, daß die Mitteilung vor dem Löschen gesichert wurde. Und gemäß den Offenlegungsbestimmungen müßte die Firma die Mitteilung an die Gegenseite übergeben. Deshalb rät die Kanzlei meines Freundes ihren Mandanten, erst gar keine Dokumente mit dem Computer zu erstellen, die kein Außenstehender lesen soll.«
»Hmmm.« Sawyer blätterte die Seiten vor sich durch. »Gut, daß ich mich
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