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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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Wand gehängt. Es sah wirklich prächtig aus. Aber meine Mutter machte sich ernsthafte Sorgen.
    Sie wusste sich schließlich nicht mehr anders zu helfen und hielt den Wagen unseres Arztes an, als er auf seiner üblichen Tour durchs Dorf kam. »Ich möchte Ihnen etwas zeigen«, sagte sie und führte ihn nach oben in mein Zimmer.
    Ich saß im Wohnzimmer und machte Hausaufgaben, hörte jedoch einen Großteil des Gesprächs. »Herr Doktor«, sagte meine Mutter, »wenn ich die Zimmer von anderen Jungen, von Arnolds Freunden sehe, hängen dort überall Mädchen an der Wand. Poster, Bilder aus Zeitschriften, Farbfotos von Mädchen. Und jetzt schauen Sie hier. Lauter nackte Männer.«
    »Das ist ganz normal, Frau Schwarzenegger«, sagte der Arzt, »Jungen brauchen Vorbilder. Sie schauen auf ihren Vater, aber oft reicht das nicht, weil er der Vater ist, daher nehmen sie sich auch andere Männer zum Vorbild. Das ist sogar sehr gut so. Machen Sie sich keine Sorgen.«
    Nachdem er wieder gegangen war, wischte sich meine Mutter die Tränen aus den Augen und tat so, als ob nichts gewesen wäre. Danach sagte sie zu ihren Freundinnen: »Mein Sohn hat Bilder von starken Männern und Sportlern an der Wand hängen. Das spornt ihn an, er trainiert jetzt jeden Tag. Arnold, sag ihnen, wie viel Gewicht du jetzt heben kannst.« Natürlich hatte ich mittlerweile auch Erfolg bei den Mädchen, aber das konnte ich meiner Mutter natürlich nicht erzählen. Doch im Frühjahr entdeckte sie selbst, wie sehr sich die Dinge verändert hatten. Ich hatte gerade ein Mädchen kennengelernt, das zwei Jahre älter und eine große Naturfreundin war. »Ich gehe auch gern zelten!«, erklärte ich ihr. »Zum Hof unseres Nachbarn gehört eine sehr schöne Wiese, direkt unterhalb von unserem Haus. Warum bringst du nicht dein Zelt mit?« Sie kam am nächsten Tag, und wir hatten großen Spaß dabei, nachmittags das kleine Zelt aufzustellen. Ein paar Nachbarskinder halfen uns, die Heringe in den Boden zu hämmern. Das Zelt, dessen Eingang man mit einem Reißverschluss verschließen konnte, hatte genau die richtige Größe für zwei Personen. Als die Kinder weg waren, krochen das Mädchen und ich ins Zelt und fingen an zu schmusen. Sie hatte gerade ihr Oberteil ausgezogen, als ich den Reißverschluss hörte. Ich drehte mich um und sah meine Mutter, die den Kopf zum Zelt hereinstreckte. Sie machte eine schreckliche Szene, nannte das Mädchen ein Flittchen und eine Hure und stürmte dann wieder den Hang zu unserem Haus hinauf. Dem armen Mädchen war das alles furchtbar peinlich. Ich half ihr, das Zelt abzubauen, und dann hatte sie es eilig, wegzukommen.
    Ich ging zurück ins Haus und stellte meine Mutter zur Rede. »Was soll das?«, schrie ich. »Zuerst erzählst du dem Doktor, dass ich diese Bilder habe, und dann machst du dir Sorgen, wenn ich mit einem Mädchen zusammen bin. Ich kapiere das nicht. So etwas machen Jungen doch.«
    »Nein, nein, nein. Nicht vor meinem Haus.«
    An diesen neuen Sohn musste sie sich erst noch gewöhnen. Ich wollte einfach mein Leben leben. Am darauffolgenden Samstag ging ich in die Stadt und traf mich wieder mit dem Mädchen – bei ihr daheim, ihre Eltern waren nicht da.
    Zu meiner Ausbildung, die ich im Herbst 1962 begann, gehörte neben der Berufsschule auch eine Lehre. Morgens hatten wir Unterricht, und den Nachmittag verbrachten wir an unseren verschiedenen Arbeitsstellen in Graz. Das war viel besser, als den ganzen Tag im Klassenzimmer zu hocken. Meine Eltern wussten, dass ich gut in Mathematik war und gern mit Zahlen jonglierte, daher hatten sie für mich eine kaufmännische Ausbildung anstelle einer Lehrstelle im Handwerk ausgesucht.
    Ich lernte bei Mayer-Stechbarth, einem kleinen Baustoffhandel mit vier Angestellten in der Neubaustraße. Das Geschäft gehörte Herrn Dr. Matscher, einem pensionierten Anwalt, der immer im Anzug zur Arbeit kam. Er führte den Laden zusammen mit seiner Frau Christine. Anfangs wurden mir hauptsächlich körperliche Tätigkeiten aufgetragen, wie Holzstapeln oder Schneeschaufeln. Ich übernahm auch gern die Auslieferung der Waren: Schwere Verbundplatten durchs Treppenhaus zu einem Kunden zu schleppen war für mich eine andere Form von Krafttraining. Doch schon bald wurde mir die Lagerverwaltung anvertraut und dadurch mein Interesse daran geweckt, wie man ein Geschäft führt. Ich lernte, wie man Bestellungen schreibt, und wandte bei der Abrechung an, was ich im Fach Buchführung gelernt hatte.
    Doch

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