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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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immer gut umgehen können. Bereits als Kind hatten mir Zahlen sofort eingeleuchtet. Dezimalzahlen, Brüche, ich kannte sämtliche römischen Zahlen. Man konnte mir in der Schule eine Aufgabe vorsetzen, und ich löste sie. Oder Statistiken: Wenn andere Schüler noch mit leicht benebeltem Blick daraufstarrten, hatte ich daraus schon Fakten und Entwicklungen abgeleitet und die Daten wie eine Geschichte gelesen.
    Mit meinen Kindern machte ich die gleichen Übungen in Mathematik, die mein Vater mit Meinhard und mir gemacht hatte. Ungefähr einen Monat, bevor etwas im Matheunterricht drankam, hatte unser Vater schon mit dem jeweiligen Thema begonnen, weil er der Meinung war, dass der Geist Aufwärmübungen brauchte genau wie der Körper eines Sportlers. Und nicht nur mein Bruder und ich mussten die Rechenübungen machen, sondern auch die Kinder, die zum Spielen da waren. Deshalb kamen bald auch keine Kinder mehr vorbei, weil sie meinen Vater und seine Matheaufgaben fürchteten. Ich hasste das natürlich. Aber jetzt, mit fünfunddreißig, machte ich die Übungen selbst mit meinen Kindern. Und ich gab ihnen auch immer die Rechnung im Restaurant, damit sie ausrechneten, wie viel zwanzig Prozent Trinkgeld waren. Und erst, wenn sie alles ausgerechnet hatten, unterschrieb ich den Beleg. Das wurde zu einem richtigen Ritual, an dem sie immer großen Spaß hatten.
    Bei den üblichen Pflichten im Haushalt galt die Schwarzenegger-Tradition. In Europa wird man schon als Kind daran gewöhnt, das Haus sauber zu halten. Wenn man nach Hause kommt, zieht man die Schuhe aus, sonst setzt es ein Donnerwetter. Man macht das Licht aus, wenn man einen Raum verlässt, um Strom zu sparen. In Thal ging man selbstverständlich auch sparsam mit dem Wasser um, weil man es vom Brunnen holen muss. Überhaupt musste man sich in meiner Kindheit viel mehr um alltägliche Dinge kümmern. Ich erinnere mich noch, dass ich regelrecht geschockt war, als ich Maria kennenlernte, die von frühauf gewohnt war, dass irgendwelche Leute immer hinter ihr aufräumten. Sie kam nach Hause, zog ihre hübsche Cashmerejacke aus und ließ sie einfach an Ort und Stelle zu Boden fallen, und da blieb sie liegen. Ich selbst könnte eine edle Cashmerejacke nicht so behandeln, auch heute nicht. Ich würde sie aufheben und auf einen Kleiderbügel oder über eine Stuhllehne hängen. Und obwohl ich es mir leisten könnte, würde ich auch nie in Cashmerekleidung Sport treiben. Beim Sport muss es einfache Baumwolle sein oder normale Schafwolle oder ein billiges Sweatshirt, weil ich mich sonst nicht wohlfühlen würde, wenn die Kleidung verschwitzt.
    Obwohl Maria schließlich genau so ein Ordnungsfanatiker wurde wie ich, war ich immer derjenige, der auf die Einhaltung der Regeln achtete – natürlich mit einem Toleranzspielraum, weil mir klar war, dass ich es nicht übertreiben durfte. Man muss die Sache in vernünftigen Grenzen betreiben und nicht so wie manche meiner Freunde in Österreich es mit ihren Kindern machen. Das mag dort funktionieren, aber hier nicht. Denn Kinder reden ja manchmal mit ihren Klassenkameraden über ihre Eltern, und ich wollte natürlich nicht, dass sie mich wegen meines Ordnungsfimmels für einen Spinner hielten. Und ich hatte für mich auch längst beschlossen, dass körperliche Züchtigungen in meiner Generation nichts mehr verloren hatten. Diese Tradition wollte ich bestimmt nicht fortsetzen.
    Zwischen Maria und mir spielte sich ein Erziehungsstil ein, zu dem ein bisschen Verwöhnen ebenso gehörte wie feste Regeln. Von einem ziemlich frühen Zeitpunkt an mussten die Kinder zum Beispiel ihre Wäsche selber waschen. Sie mussten lernen, wie man die Waschmaschine bediente und den Trockner, und anschließend mussten sie die Kleider zusammenlegen und im Schrank verstauen. Das war natürlich auch eine gute Übung, um zu lernen, wie man seine Zeit einteilte, um so eine Sache zu erledigen.
    Bevor ich die Kinder zur Schule fuhr, überprüfte ich, ob alle Lichter ausgeschaltet, die Betten gemacht und Schubladen und Schränke geschlossen waren. Natürlich durften auch Sachen herumliegen und ein bisschen Unordnung herrschen. Ich war viel nachlässiger, als mein Vater gewesen war. Trotzdem: Die Betten wurden gemacht. Perfektion war nicht mein Ziel, wir waren schließlich nicht beim Militär. Aber die Kinder sollten sich nicht daran gewöhnen, dass jemand hinter ihnen her räumte.
    Ein immerwährender Kampf war es allerdings, ihnen beizubringen, das Licht

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