Total Recall
sich jedes Jahr in ihrem wunderbaren klassizistischen Herrenhaus am Stadtrand von Washington D. C. Es war wie ein dreitägiges Familienfest. Viele Paare müssen sich immer erst einigen, wie viel Zeit mit den Schwiegereltern verbracht wird, aber bei uns ergab sich dieses Arrangement völlig natürlich. Ich sagte zu Maria: »Das sollten wir beibehalten. Wenn wir Thanksgiving bei deinen Eltern feiern, können wir Weihnachten dafür zu Hause bleiben. Das muss nicht heißen, dass deine Eltern nicht willkommen sind, aber wir sollten Weihnachten grundsätzlich zu Hause verbringen.« Sie war voll damit einverstanden. Mir war immer bewusst, dass sie sich durch unsere Ehe ziemlich weit von ihrer Familie entfernt hatte, dass die Familie ihr fehlte und dass sie gern öfter mit ihren Verwandten zusammen sein wollte, auch wenn sie ihre Unabhängigkeit bewahren wollte. Deshalb sagte ich auch immer: »Denk daran: Wen immer du von deiner Familie einlädst, sie sind auch mir immer herzlich willkommen.« Und bei meinen Schwiegereltern fiel mir das besonders leicht, weil ich sie sehr mochte und sie immer guter Laune waren und wir immer viel zu lachen hatten.
Thanksgiving begann bei den Shrivers traditionell mit dem Gottesdienst. Sarge und Eunice gingen jeden Tag zur Kirche, danach kam das Frühstück, dann gab es jede Menge Sport. In Georgetown, in Washington D. C., gab es viele gute Kleiderläden und Geschenkboutiquen, deren Angebot sich von dem der Läden in Kalifornien sehr unterschied, deshalb nutzte ich immer die Gelegenheit, gleich ein paar Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Am Abend versammelten wir uns wieder, und oft kam auch Teddy mit seiner Frau zum Abendessen oder auf ein paar Drinks vorbei, oder Robert Kennedy jr., der Umweltaktivist, mit seinem Sohn oder seiner Schwester Courtney und deren kleiner Tochter Saoirse (der Name wird Sier- scha ausgesprochen und bedeutet Freiheit auf Gälisch) vorbei. In Hyannis Port fiel jeden August eine ganze Horde von Cousins und Cousinen ein, wenn sich die Kennedys, die Lawfords und die Shrivers versammelten. Man konnte dann dreißig Cousins und Cousinen schwimmen, segeln oder Wasserski fahren sehen, oder wie sie sich am Büffet gebratene Garnelen und Venusmuscheln holten. Vom Morgen bis zum Abend war es ein einziges Sportlager.
Ich bin überzeugt, dass Eunice und Sarge großen Einfluss auf unsere Kinder hatten. Auch auf mich hatten sie Einfluss. Ich arbeitete bei den Special Olympics mit ihnen zusammen und fungierte als Fackelträger, um der Organisation zu helfen, noch erfolgreicher zu werden. In dem Sommer, als Katherine zwölf war und unser Jüngster vier, nahmen Maria und ich die Kinder mit auf eine wichtige Reise nach Südafrika. Es war das erste Mal seit sechsundzwanzig Jahren, dass ich wieder in das Land reiste – seit ich in Pretoria den Titel des Mister Olympia gewonnen hatte. Das war noch in den Zeiten der Apartheid gewesen, und jetzt war es atemberaubend zu sehen, wie sich das Land verändert hatte. Damals war der Mister-Olympia-Wettkampf die erste Sportveranstaltung in Südafrika gewesen, bei der keine Rassentrennung galt. Ich hatte mich dabei mit Piet Koornhof angefreundet, der damals Minister für Sport und Kultur gewesen war, ein fortschrittlich denkender Mann, der sich entschieden gegen die Apartheid ausgesprochen hatte. Er ermöglichte es mir, Bodybuilding-Shows in den Townships zu veranstalten, und meinte: »Wann immer Sie etwas für die Weißen tun, möchte ich, dass Sie auch etwas für die Schwarzen tun.« Schon vorher hatte er maßgeblich dazu beigetragen, dass Südafrika Austragungsort des Wettkampfs werden konnte. Ich hatte der Delegation des Internationalen Bodybuilding-Verbands IFBB angehört und mit ihm zusammengearbeitet. Jetzt war die Apartheid schon lange Vergangenheit. Nelson Mandela hatte in der Zwischenzeit das Land regiert und war nach wie vor die Ikone des neuen Südafrika.
Seit er aus dem Amt schied, hatte sich Mandela stark dafür engagiert, das Profil der Special Olympics in ganz Afrika zu stärken – in einem Kontinent, in dem Menschen mit geistigen Behinderungen entweder ignoriert oder stigmatisiert wurden. Sarge und Eunice hatten geplant, uns zu begleiten, aber Eunice, die gerade achtzig geworden war, hatte sich am Tag vor unserer Abreise bei einem Autounfall ein Bein gebrochen. Die Mission war deshalb Sache der jüngeren Generation geworden – und das waren Maria und ich und ihr Bruder Tim, der Sarges Nachfolger als Präsident der
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