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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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Er kleidete sich gern elegant, feierte viel und hatte jede Menge Frauen. Später wurde er nach Innsbruck versetzt, verlobte sich mit Erika Knapp, der schönen Mutter seines dreijährigen Sohns Patrick, und machte Anstalten, ein geregeltes Leben zu führen.
    Doch dazu sollte es nicht kommen. Als ich im Winter nach meinem Titelgewinn gerade nicht in der Stadt war, rief eines Tages meine Mutter an. Sie hatte eine furchtbare Nachricht: Mein Bruder war tot. Meinhard war im Skiurlaub mit dem Auto allein auf einer Bergstraße unterwegs gewesen und tödlich verunglückt.
    Ich war in New York, daher ging Franco ans Telefon. Aus irgendeinem Grund nahm ihn die Nachricht so mit, dass er es nicht über sich brachte, mich anzurufen. Erst drei Tage später, als ich wieder in Los Angeles war, sagte er zu mir: »Ich muss dir etwas mitteilen, aber erst nach dem Abendessen.«
    Schließlich brachte ich aus ihm heraus, dass mein Bruder einen Unfall gehabt hatte und ums Leben gekommen war.
    »Wann war das?«, fragte ich.
    »Vor drei Tagen kam der Anruf.«
    »Warum hast du es mir nicht früher gesagt?«
    »Ich wusste einfach nicht, wie ich es dir beibringen sollte. Du warst in New York und mit dir selbst beschäftigt. Ich wollte warten, bis du wieder daheim bist.« Wenn er mich in New York angerufen hätte, wäre ich jetzt schon auf dem Weg nach Österreich. Seine Sorge um mich rührte mich, gleichzeitig war ich aber auch frustriert und enttäuscht.
    Ich rief sofort meine Eltern an. Meine Mutter schluchzte und brachte anfangs kaum ein Wort heraus. Aber dann sagte sie mir: »Nein, er wird nicht hier beerdigt. Wir lassen Meinhard in Kitzbühel. Wir fahren morgen früh, es wird nur eine sehr kleine Trauerfeier geben.«
    »Ich habe es gerade erst erfahren«, sagte ich.
    »Du brauchst nicht versuchen herzukommen. Selbst wenn du das nächste Flugzeug nimmst, wirst du es nicht rechtzeitig schaffen. Der Flug dauert ja so lange.«
    Für die Familie war Meinhards Tod ein furchtbarer Schlag. Ich hörte bei beiden Eltern die Verzweiflung in der Stimme. Wir alle konnten unsere Gefühle nicht sonderlich gut ausdrücken, ich wusste daher nicht, was ich sagen sollte. Es tut mir so leid? Das ist furchtbar? Das wussten sie selbst. Ich war wie betäubt. Meinhard und ich standen uns nicht mehr sehr nahe – ich hatte ihn in drei Jahren nur einmal gesehen –, aber jetzt kamen all die Erinnerungen wieder hoch, wie wir als Kinder miteinander gespielt hatten, wie wir zusammen mit unseren Freundinnen ausgegangen waren, als wir ein bisschen älter waren, und wie wir miteinander gelacht hatten. Das alles würde es nicht mehr geben. Ich würde ihn nie wiedersehen. Was sollte ich tun? Ich wusste keine Antwort. Schließlich verdrängte ich die Gedanken an ihn einfach und konzentrierte mich wieder auf meine Ziele.
    Ich stürzte mich in den Alltag von Los Angeles. Ging zum Unterricht, trainierte täglich fünf Stunden im Fitnessstudio, arbeitete in unserem Baugeschäft, kümmerte mich um meinen Versandhandel, trat bei Veranstaltungen auf und besuchte Bodybuilding-Messen. Franco war genauso beschäftigt wie ich. Wir hatten beide einen unglaublich vollen Terminkalender. Manche Tage gingen von sechs Uhr morgens bis Mitternacht.
    Fließend Englisch zu sprechen stand immer noch ganz oben auf meiner Aufgabenliste. Ich beneidete meinen Freund, den Fotografen Artie Zeller, um seine Sprachbegabung. Er musste nur eine Woche mit Franco in Italien verbringen, und schon konnte er Italienisch. Bei mir war das leider nicht so. Mir fiel es unglaublich schwer, eine neue Sprache zu lernen.
    Anfangs versuchte ich, alles wortwörtlich zu übersetzen. Ich hörte oder las etwas, übersetzte es im Kopf ins Deutsche und fragte mich dabei: »Warum muss Englisch nur so kompliziert sein?« Manche Dinge wollte ich einfach nicht kapieren, egal wer sie mir erklärte, beispielsweise das Zusammenziehen von Wörtern. Warum sagte man nicht einfach immer »I have« anstatt »I’ve« und »I will« anstatt »I’ll«?
    Die Aussprache war besonders schwierig und führte häufig zu Missverständnissen. Einmal lud mich Artie in ein jüdisch-ungarisches Restaurant zum Essen ein, weil es dort ganz ähnliche Gerichte gab wie in der österreichischen Küche. Ich hatte etwas in der Speisekarte gesehen, das ich von zu Hause kannte, und als der Inhaber die Bestellung aufnehmen wollte, sagte ich: »Für mich bitte einmal diesen Müll hier.«
    »Wie haben Sie gerade mein Essen genannt?«
    »Bringen Sie mir einfach

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