Total Recall
den Müll .«
Artie schritt eilig ein und sagte: »Er ist aus Österreich, er meint den Kohl , verzeihen Sie bitte.«
Ich hatte »cabbage« in der Speisekarte gefunden und es wie »garbage« ausgesprochen. Fast wäre es deshalb zum Streit gekommen.
Englisch ist eine schwere Sprache. Aber allmählich machte ich dank des Unterrichts am Santa Monica College Fortschritte. Ich wurde dort wirklich zum Lernen motiviert. Gleich am ersten Tag des Englischkurses fragte der Lehrer Mr. Dodge uns ausländische Schüler: »Wollen wir den Unterricht lieber draußen oder drinnen machen?«
Wir sahen uns ratlos an und versuchten zu verstehen, was er meinte.
Er zeigte aufs Fenster und erklärte: »Sehen Sie den Baum dort drüben? Wenn Sie wollen, können wir uns in den Schatten setzen und draußen den Unterricht machen.«
Wir gingen raus und saßen vor dem Collegegebäude unter einem Baum im Gras. Ich staunte nicht schlecht. Verglichen mit dem formalen und strengen Unterricht in Europa war das unglaublich! Ich dachte: »Ich habe College-Unterricht draußen unter einem Baum, das ist ja wie Urlaub! Nach dem Semester melde ich mich gleich zum nächsten Kurs an!« Ich rief Artie an und sagte ihm, er solle in der nächsten Woche vorbeikommen und ein Foto von uns beim Unterricht im Freien machen.
Im nächsten Semester schrieb ich mich tatsächlich für zwei weitere Kurse ein. Viele Ausländer schreckten davor zurück, gleich aufs College zu gehen, aber am Community College ging es so ungezwungen zu und die Lehrer waren so entspannt, dass der Unterricht einfach nur Spaß machte.
Nachdem Mr. Dodge mich ein bisschen kennengelernt und ich ihm von meinen Zielen erzählt hatte, stellte er mich dem Studienberater vor, der sagte: »Mr. Dodge schlug vor, dass Sie zusätzlich zu Englisch noch weitere Kurse belegen sollten.« Ich antwortete: »Ja, ich interessiere mich noch für andere Fächer.«
»Was sagt Ihnen besonders zu?«
»Wirtschaft.«
»Also, wir haben gute Anfängerkurse, bei denen die Sprache kein allzu großes Hindernis ist. Viele Ausländer belegen diesen Kurs. Und Sie haben einen guten Lehrer, der Erfahrung hat mit ausländischen Studenten.«
Er stellte ein kleines Programm für mich zusammen. »Das sind acht Kurse, die Sie zusätzlich zu Englisch belegen sollten. Allesamt zum Thema Wirtschaft. Ich an Ihrer Stelle würde auch noch Mathematik dazunehmen, damit Sie lernen, wie die englischen Bezeichnungen lauten für die Rechenarten und so weiter. Sonst verstehen Sie die Begriffe vielleicht nicht.«
Ich antwortete: »Da haben Sie recht, ich verstehe sie nicht.« Also belegte ich auch noch einen Mathematikkurs.
Der Studienberater gab mir auch Tipps, wie ich College und Bodybuilding unter einen Hut bringen konnte. Er sagte: »Wir wissen, dass Sie Sportler sind und in manchen Semestern vielleicht nicht so viel tun können. Da Ihre wichtigen Wettkämpfe im Herbst sind, sollten Sie im Sommer vielleicht nur einen Kurs belegen. Zum Beispiel einmal die Woche, von neunzehn bis zweiundzwanzig Uhr nach dem Training. Ich bin mir sicher, dass Sie das schaffen.« Ich war begeistert, dass er sich so um mich kümmerte. Und es war toll, meine Ziele um den Faktor Bildung zu ergänzen. Es gab keinen Druck, niemand drängte mich: »Du musst aufs College. Du solltest dich besser um einen Abschluss kümmern.«
Glücklicherweise hatte ich im Gold’s Gym bereits einen Mathematiklehrer. Frank Zane hatte in Florida Algebra unterrichtet, bevor er nach Kalifornien ging. Tatsächlich waren mehrere Bodybuilder früher einmal Lehrer gewesen, warum auch immer. Frank nahm sich Zeit, half mir bei meinen Aufgaben und erklärte mir Begriffe, die ich nicht verstand. In Kalifornien begeisterte sich Frank für östliche Philosophie, Meditation und Entspannungstechniken. Doch es sollte noch eine Weile dauern, bis ich mich ebenfalls dafür interessierte.
Wenn meine Dominanz im Bodybuilding infrage gestellt worden wäre, hätte ich mich weiter zu hundert Prozent auf meinen Sport konzentriert. Aber es gab keine Herausforderer, also richtete ich meine Energie auf andere Ziele. Ich schrieb diese Ziele immer auf, wie ich es einst im Gewichtheberverein in Graz gelernt hatte. Mir genügte es nicht, einfach nur zu sagen: »Mein guter Vorsatz zum neuen Jahr lautet, dass ich 10 Kilo abnehmen will, außerdem will ich besser Englisch lernen und ein bisschen mehr lesen.« Nein, ich musste ihn präzise formulieren, damit all die guten Absichten nicht nur so im Raum
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