Total verhext
du.«
»Wir haben eine Menge Erfahrung in der Unerfahrenheit«, meinte Nanny fröhlich.
»Und nur darauf kommt’s an«, pflichtete ihr Oma Wetterwachs bei.
In Omas Hütte gab es einen kleinen, fleckigen Spiegel. Unmittelbar nach ihrer Heimkehr vergrub sie ihn im Garten.
»So«, murmelte sie zufrieden. »Wie willst du mich jetzt beobachten, hm?«
Es schien völlig unmöglich zu sein, daß Jason Ogg, Grob- und Hufschmied, Nanny Oggs Sohn war. Er erweckte den Eindruck, seine Existenz nicht etwa seiner Geburt zu verdanken, sondern der Konstruktion in einer Werft. Die Natur hatte ihn zusätzlich zu seinem ruhigen, sanften Wesen mit Muskeln ausgestattet, die für zwei Ochsen genügt hätten. Seine Arme waren so dick wie Baumstämme, und die Beine sahen aus wie jeweils zwei aufeinanderstehende Bierfässer.
Ihm brachte man prächtige Zuchthengste, die rotäugigen Könige der Pferdewelt, an deren Maul Schaum klebte. Er galt als letzte Hoffnung für die Besitzer besonders eigenwilliger Rösser, die mit tellergroßen Hufen gewöhnliche Leute in die nächste Mauer rammten. Jason Ogg kannte das Geheimnis des mystischen Reiterworts. Allein betrat er die Schmiede, schloß behutsam die Tür – und führte dreißig Minuten später ein neu beschlagenes und überraschend friedliches Tier nach draußen. 9
Hinter seiner großen, breiten Gestalt hatte sich der Rest von Nanny Oggs riesiger Familie versammelt. Hinzu kamen Dutzende von Dorfbewohnern. Sie stellten fest, daß die Hexen aktiver wurden, und daraufhin nutzten sie die Gelegenheit zu einem ordentlichen Gaffen, wie es in den Spitzhornbergen hieß.
»Nun, unser Jason, wir machen uns jetzt auf den Weg«, sagte Nanny Ogg. »Es heißt, im Ausland seien die Straßen mit Gold gepflastert. Vielleicht kehre ich reich heim.«
Tiefe Falten bildeten sich auf Jasons haariger Stirn, als er angestrengt überlegte. »Ich könnte einen neuen Amboß gebrauchen«, erwiderte er schließlich.
»Wenn ich tatsächlich mit Gold oder anderen Schätzen zurückkomme, so brauchst du nie wieder in der Schmiede zu arbeiten«, sagte Nanny.
Die Falten fraßen sich noch tiefer in Jasons Stirn.
»Aber ich arbeite gern in der Schmiede.«
Nanny wirkte ein wenig verwirrt. »Nun … Dann bekommst du einen Amboß aus reinem Silber.«
»Er wäre zu weich und nicht zu gebrauchen«, entgegnete Jason.
»Wenn ich dir einen Amboß aus reinem Silber mitbringe, so bekommst du einen Amboß aus reinem Silber, mein Junge – ob dir das gefällt oder nicht.«
Jason senkte den großen Kopf. »Ja, Mama.«
»Sorg dafür, daß die Zimmer im Haus regelmäßig gelüftet werden«, fuhr Nanny fort. »Außerdem soll jeden Morgen ein Feuer im Kamin entzündet werden.«
»Ja, Mama.«
»Und benutzt die Hintertür, klar? Ich habe die vordere Veranda mit einem Fluch geschützt. Wo bleiben die Mädchen mit meinem Gepäck?« Sie eilte fort – ein kleines graues Bantamhuhn, das sich anschickte, mehrere Hennen aufzuscheuchen.
Magrat hörte aufmerksam zu und beobachtete alles. Das Ergebnis ihrer eigenen Reisevorbereitungen präsentierte sich in Form von zwei Säcken: Der große enthielt Kleidung zum Wechseln – schließlich konnte man nicht wissen, an welchem Wetter das Ausland litt –, und der kleinere beinhaltete einige Bücher aus Desideratas Hütte. Frau Hohlig hatte praktisch jede Gelegenheit genutzt, ihre Erlebnisse in mehr oder weniger ausführlichen Berichten zu schildern. Dutzende von kleinen Büchern waren von der ersten bis zur letzten Seite mit ihrer überaus ordentlich und korrekt anmutenden Handschrift gefüllt. Eine Kapitelüberschrift lautete zum Beispiel »Mit Zauberstab und Besen über die Wüste vom Großen Nef«.
Leider hatte sie versäumt, eine Gebrauchsanweisung für den Stab zu überliefern. Soweit Magrat wußte, winkte man damit und brachte einen Wunsch zum Ausdruck.
Mehrere Kürbisse säumten nun den Weg zu ihrer Hütte und bewiesen, daß eine derartige Taktik nicht immer zu den gewünschten Ergebnissen führte. Einer von ihnen hielt sich noch immer für ein Wiesel.
Magrat und Jason blieben allein zurück.
Nannys Sohn scharrte mit den Füßen und verbeugte sich vor der jungen Hexe. Man hatte ihn gelehrt, Frauen zu respektieren, und seiner Ansicht nach ließ sich Magrat dieser Kategorie zuordnen.
»Du kümmerst dich doch um Mama, nicht wahr, Fräulein Knoblauch?« fragte er, und vage Besorgnis erklang in seiner Stimme. »Seit einiger Zeit ist sie recht seltsam.«
Magrat klopfte ihm auf die
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