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Total verhext

Total verhext

Titel: Total verhext Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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sich der Erkenntnis stellen, daß dies gar kein richtiges Kochen war. Zumindest dann nicht, wenn man die entsprechenden Tätigkeiten in Gennua zum Maßstab nahm. Beim Kochen außerhalb dieser Stadt ging es nur darum, auf möglichst angenehme Weise am Leben zu bleiben, indem man kleine Teile von Tieren, Vögeln, Fischen und Gemüse erhitzte, bis sie braun wurden.
    Seltsamerweise stand den Köchen in Gennua eigentlich kaum etwas zur Verfügung, das sich kochen ließ, schien es Nanny. Sie glaubte, daß Nahrung vier Beine besitzen mußte, oder zwei Beine und zwei Flügel, oder wenigstens Flossen. Es fiel ihr sehr schwer, sich vorzustellen, daß Eßbares im Rohzustand mehr als vier Beine aufwies.
    Nun, in Gennua gab es nicht viel zu kochen – und deshalb wurde alles gekocht. Nanny hatte nie von Garnelen, Langusten und Hummern gehört. Für sie sah es danach aus, als zögen die Bewohner von Gennua ein Schleppernetz über den Grund des Flusses, um anschließend alles, was sich darin verfing, in den Kochtopf zu stecken.
    Einem guten gennuanischen Koch genügten der organische Inhalt einer Handvoll Schlamm, mehrere trockene Blätter und einige Kräuter mit unaussprechbaren Namen, um eine Mahlzeit zu produzieren, vor der Gourmets in Tränen der Dankbarkeit ausbrachen und auf Knien um eine zusätzliche Portion flehten.
    Nanny Ogg folgte Frau Nett über den Markt. Sie sah Käfige mit Schlangen und Gestelle mit rankenartigen Kräutern. Sie betrachtete Regale mit zweischaligen Muscheln. Sie plauderte mit Marktfrauen, die ebenfalls klein und dick waren. Für einige Cent bekam man sämige Fischsuppe und Meeresfrüchte in Brötchen. Gytha Ogg probierte alles und amüsierte sich prächtig. Gennua, Stadt der Köche, hatte endlich den verdienten Appetit gefunden.
    Nanny leerte einen Teller, nickte anerkennend, lächelte und wandte sich an die Frau, die hinter dem Tresen der Fischbude stand.
    »Dies ist …«, begann sie und wollte den Blick auf Frau Nett richten.
    Frau Nett war verschwunden.
    Jemand anders wäre jetzt durch die Menge geeilt, um nach der gesuchten Person Ausschau zu halten. Nanny Ogg hingegen rührte sich nicht von der Stelle und überlegte.
    Ich habe nach Magie gefragt, dachte sie. Deshalb hat sie mich hierhergebracht und allein gelassen. Vermutlich wegen der Wände mit den Ohren. Nun, ich schätze, im weiteren muß ich ohne Hilfe zurechtkommen.
    Sie sah sich um. Abseits der Buden stand ein einfaches Zelt, direkt am Fluß. Ein Schild fehlte, aber dafür gab es einen Topf, unter dem ein Feuer brannte. In dem Behälter blubberte es leise. Daneben lagen schlichte Tonschüsseln bereit. Manchmal trat jemand aus der Menge, füllte sich einen der Näpfe aus dem Topf und legte Münzen auf den Teller vorm Zelt.
    Nanny schritt näher und blickte in den Kessel. Seltsame Gebilde schwammen an die Oberfläche und versanken wieder in einer zähflüssigen braunen Masse. Blasen bildeten sich, wuchsen und zerplatzten mit einem klebrigen, klingenden »Plop«. In diesem Topf konnte alles passieren. Es war sogar denkbar, daß spontanes Leben darin entstand.
    Gytha Ogg war immer bereit, alles mindestens einmal zu probieren. Gewisse Dinge hatte sie tausendmal probiert.
    Sie griff nach der Schöpfkelle, nahm eine Schüssel und füllte sie.
    Wenige Sekunden später strich sie die Plane vor dem Zelteingang beiseite und blickte ins dunkle Innere.
    Jemand saß dort im Schneidersitz und rauchte Pfeife.
    »Darf ich hereinkommen?« fragte Nanny.
    Die Gestalt nickte.
    Nanny Ogg setzte sich. Nach einem taktvollen Zögern holte sie ihre eigene Pfeife hervor.
    »Ich nehme an, du bist mit Frau Nett befreundet.«
    »Sie kennt mich.«
    »Ah.«
    Draußen klirrte und klimperte es gelegentlich, wenn sich jemand aus dem Topf bediente.
    Blauer Rauch kräuselte aus Nannys Pfeifenkopf.
    »Sicher gehen nicht viele Leute fort, ohne Münzen auf den Teller zu legen, oder?« erkundigte sich Gytha.
    »Nein.«
    »Versuchen einige, mit Gold und Edelsteinen und erlesenen Pelzen oder so zu bezahlen?«
    »Nein.« »Erstaunlich.« Eine Zeitlang schwieg Nanny Ogg, lauschte den fernen Geräuschen des Marktes und sammelte Kraft.
    »Wie heißt die Spezialität?«
    »Gumbo.«
    »Schmeckt gut.«
    »Ich weiß.«
    »Wer so etwas kochen kann, dürfte praktisch zu allem imstande sein …« Nanny konzentrierte sich. »Frau Gogol.«
    Sie wartete.
    »Zu fast allem, Frau Ogg.«
    Die beiden Frauen musterten sich im Halbdunkel wie zwei Verschwörer, die das Kennwort gewechselt hatten und

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