Total verhext
sie die eine oder andere Anweisung. Das wurde nur selten erforderlich, weil sie im Lauf der Jahre dafür gesorgt hatten, daß die übrigen Personen in der Küche entweder so arbeiteten, wie sie es wollten – oder sich einen anderen Job suchten. Ab und zu veranstalteten sie ein würdevolles Ritual, standen auf, kosteten etwas und fügten vielleicht eine Prise Salz hinzu.
Solche Leute sind immer bereit, mit Hausierern, Kräutersammlern und alten Frauen mit Katzen auf den Schultern zu reden. Greebo hockte auf Nannys Schulter, als sei er der König aller Katzen.
»Bist du wegen des Dicken Mittags gekommen?« fragte Frau Nett.
»Ich helfe einer Freundin dabei, gewisse Dinge zu erledigen«, erwiderte Nanny. »Meine Güte, diese Kekse sind wirklich lecker!«
Frau Nett schob den Teller etwas näher. »Mir scheint, du bist eine Botin der Magie.«
»Und mir scheint, du bist weitaus aufmerksamer als viele andere Bewohner Gennuas«, sagte Nanny. »Weißt du, diese Kekse wären absolut unübertrefflich, wenn man sie in etwas tunken könnte.«
»Zum Beispiel in etwas mit Bananen drin?«
»Bananen sind genau richtig«, bestätigte Nanny glücklich. Frau Nett wandte sich an eine Bedienstete und winkte gebieterisch.
Nanny lehnte sich auf dem Stuhl zurück und schwang die kurzen Beine hin und her, während sie sich in der Küche umsah. Mehrere Köche arbeiteten mit der zielstrebigen Entschlossenheit von Systemtechnikern, die den neuen Mikrochip vor der Konkurrenz fertiggestellt haben müssen. Gewaltige Kuchen wurden nicht gebacken, sondern konstruiert. Über diversen Feuerstellen brieten die Rümpfe zahlreicher Tiere. Hunde liefen in Tretmühlen, und Antriebsriemen übertrugen das Bewegungsmoment zu den Spießen, die sich langsam und gleichmäßig drehten. Ein riesenhafter Mann mit einer Narbe, die quer durchs ganze Gesicht reichte, bohrte geduldig Holzstäbchen in Würstchen.
Nanny hatte noch nicht gefrühstückt. Greebo hatte bereits eine Mahlzeit eingenommen, doch das machte kaum einen Unterschied. Beide fühlen sich nun als Opfer einer subtilen kulinarischen Folter.
Wie hypnotisiert drehten sie sich um und beobachteten zwei junge Frauen, die ein mit Appetithappen schwer beladenes Tablett trugen.
»Ganz offensichtlich bist du eine gute Beobachterin, Frau Ogg«, sagte Frau Nett, womit sie auf Nannys frühere Bemerkung einging.
»Nur ein bißchen«, erwiderte Nanny Ogg und meinte etwas ganz anderes.
Nach einer Weile fügte Frau Nett hinzu: »Ich kann auch sehen, daß eine sehr ungewöhnliche Katze auf deiner Schulter sitzt.«
»Da hast du recht.«
»Ich weiß, daß ich recht habe.«
Ein bis zum Rand mit gelbem Schaum gefülltes Glas wurde vor Nanny auf den Tisch gestellt. Sie versuchte, ihre Gedanken zu sammeln.
»Nun«, begann sie, »an wen soll ich mich wenden, um herauszufinden, wie man in dieser Stadt Magie …«
»Möchtest du etwas zu essen?« fragte Frau Nett.
»Was? Natürlich!«
Frau Nett rollte mit den Augen.
»Nicht dieses Zeug«, sagte sie bitter. »Dieses Zeug taugt nichts.«
Es gelang Nanny nicht ganz, ihre Enttäuschung zu verbergen. »Aber du kochst es doch«, entgegnete sie. »Weil ich muß. Der alte Baron wußte, was richtiges Essen ist. Dieser Fraß hier? Nur Schweine-, Rind- und Lammfleisch und anderes Zeugs für jemanden, der nichts Besseres kennt. Es gibt nur ein vierbeiniges Tier, das man essen kann, und das heißt Alligator. Nein, ich meine was Leckeres.«
Frau Nett blickte durch die Küche. »Sara!« rief sie. Eine der Unterköchinnen drehte sich um. »Ja, Mähm?« »Ich gehe mit dieser Dame fort. Kümmere dich um alles, in Ordnung?« »Ja, Mähm.« Frau Nett stand auf und nickte Nanny Ogg bedeutungsvoll zu. »Hier haben die Wände Ohren«, sagte sie. »Donnerwetter! Im Ernst?« »Wir machen einen kleinen Spaziergang.«
Nanny Ogg erkannte nun, daß Gennua aus zwei Städten bestand. Die eine war weiß, bestand aus neuen Häusern und Palästen mit blauen Dächern. Die andere – die alte – erstreckte sich darum herum und sogar darunter. Der neuen Stadt mochte die alte nicht gefallen, aber sie konnte unmöglich darauf verzichten. Jemand mußte das Kochen und so erledigen.
Nanny Ogg hatte nichts dagegen, Mahlzeiten zuzubereiten – vorausgesetzt, jemand anders schnitt das Gemüse und wusch nachher das Geschirr ab. Sie war immer der Ansicht gewesen, daß sie mit einem Stück Fleisch Dinge anstellen konnte, die den betreffenden Ochsen sehr überrascht hätten. Doch jetzt mußte sie
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