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Total verhext

Total verhext

Titel: Total verhext Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Wasser der Zeit zu schwimmen, während unter der Oberfläche hektische Aktivitäten stattfanden. Nanny dachte an ein wahres Labyrinth aus Speisekammern, Küchen, Wäschereien, Ställen und Brauereien – der letzte Punkt auf dieser Liste übte einen besonderen Reiz aus. Nein, niemand beachtete irgendeine Alte, die irgendwelche Speisereste verzehrte.
    Außerdem gab es in Küchen jede Menge Tratsch. Und Nanny Ogg tratschte gern.
     
    Oma Wetterwachs wanderte niedergeschlagen durch saubere Straßen. Sie suchte nicht nach den beiden anderen Hexen. Da war sie ziemlich sicher. Oh, es mochte natürlich zu einer rein zufälligen Begegnung kommen, die ihr Gelegenheit zu einem strengen Blick gab. Aber daß sie ganz bewußt nach Nanny und Magrat Ausschau hielt … Nein, davon konnte nicht die Rede sein.
    Am Ende der Straße hatte sich eine große Menge eingefunden. Oma Wetterwachs ging von der ihrer Meinung nach sehr vernünftigen Annahme aus, daß Nanny Ogg im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit stand. Sie trat näher.
    Sie sah nicht etwa Nanny, sondern ein Podium, das einen kleinen Mann in Ketten sowie mehrere in hübsche Uniformen gekleidete Wächter präsentierte. Einer von ihnen hielt eine Axt.
    Man brauchte kaum ein erfahrener Reisender zu sein, um zu schließen, daß der Mann in Ketten keineswegs öffentliche Anerkennung oder die Summe einer Kollekte erhalten sollte.
    Oma wandte sich an einen Zuschauer.
    »Was passiert hier?«
    Der Mann warf ihr einen kurzen Blick zu.
    »Die Wächter haben ihn beim Stehlen ertappt«, erklärte er.
    »Oh, nun, er wirkt ziemlich schuldig«, sagte Oma. Leute in Ketten neigten dazu, schuldig zu wirken. »Was geschieht mit ihm?«
    »Man wird ihm eine Lektion erteilen.«
    »Und wie?«
    »Siehst du die Axt?«
    Oma hatte sie die ganze Zeit über betrachtet, doch nun glitt ihr Blick über die Menge und fing Gedankenmuster ein.
    Das Bewußtsein einer Ameise läßt sich ganz einfach erfassen, denn es enthält nur einen einzigen, schlicht strukturierten Gedankenstrom: tragen, tragen, beißen, das Brot mit der Marmelade erreichen, tragen, essen. Bei einem Hund wird die Sache schon etwas komplizierter – Hunde können mehrere Gedanken gleichzeitig denken. Das menschliche Selbst gleicht einer von Blitzen gefüllten Wolke aus Myriaden Gedanken, und jeder einzelne von ihnen beansprucht in einem überaus komplexen Multitasking-System einen kleinen Teil des vom Hirn zur Verfügung gestellten Arbeitsspeichers. Es ist praktisch unmöglich festzustellen, was ein Individuum in seinem Durcheinander aus Vorurteilen, Erinnerungen,Sorgen, Hoffnungen und Ängsten wirklich denkt.
    Doch wenn vielen Personen sehr ähnliche Gedanken durch den Kopf gehen, so kann man sie verstehen. Oma Wetterwachs lauschte nun inden mentalen Äther und hörte Furcht.
    »Sieht ganz nach einer Lektion aus, die er nicht vergessen wird«, murmelte sie.
    »Ich schätze, er vergißt sie sehr schnell«, erwiderte der Zuschauer und nahm Abstand von Oma – wie von einem Blitzableiter bei einem Gewitter.
    Unmittelbar darauf bemerkte Esme Wetterwachs den disharmonischen Klang im Gedankenorchester. In der psychischen Menge befanden sich zwei nicht menschliche Wesen.
    Ihre Form war so einfach und sauber und zweckbestimmt wie eine nackte Klinge. Ein Selbst dieser Art hatte Oma Wetterwachs schon einmal gespürt – ohne Gefallen an dieser Erfahrung zu finden.
    Einmal mehr sah sie sich um und entdeckte die Eigentümer der betreffenden Gedanken. Ohne zu blinzeln starrten sie zur Plattform.
    Es waren zwei Frauen – zumindest hatten sie derzeit ein entsprechendes Erscheinungsbild. Sie waren größer als Esme und sehr schlank, trugen Hüte mit Schleiern, hinter denen sie ihre Gesichter verbargen. Ihre Kleider schimmerten im Sonnenschein, die Farbe ließ sich kaum bestimmen: vielleicht blau, oder auch gelb oder grün, möglicherweise in einem subtilen Muster. Man konnte unmöglich sicher sein, denn eine geringfügige Bewegung genügte, um alles zu verändern.
    Oma versuchte vergeblich, die Züge hinter den Schleiern zu erkennen.
    Es gab Hexen in Gennua. Zumindest eine.
    Esme drehte sich um, als sie auf der Plattform ein Geräusch vernahm.
    Und plötzlich wußte sie, warum die Bewohner der Stadt so leise und freundlich waren.
    Im fremdländischen Ausland gab es Regionen, wo man Dieben die Hand abhackte, damit sie nicht mehr stahlen. Oma Wetterwachs hatte sich nie mit dieser Art von Verbrechensbekämpfung anfreunden können. In Gennua ging man anders

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