Total verhext
Moriskentanz, und deshalb beobachteten sie den Umzug aus großen, staunenden Augen.
»Da tanzen Skelette!« rief Nanny, als knöcherne Gestalten über die Straße sprangen.
»Nein«, widersprach Magrat. »Es sind Männer, die enganliegende schwarze Kleidung mit aufgemalten Knochen tragen.«
Jemand stieß Oma Wetterwachs an. Sie drehte den Kopf und sah in das große, grinsende Gesicht eines Schwarzen. Er reichte ihr einen Krug.
»Laß es dir schmecken, Teuerste.«
Oma nahm das Gefäß entgegen und zögerte kurz, bevor sie einen Schluck trank. Anschließend bohrte sie Magrat den Ellenbogen in die Rippen und bot ihr den Krug an.
»Frgtht«, sagte sie. »Gtllgh!«
»Wie bitte?« rief Magrat, um den Lärm einer vorbeiziehenden Kapelle zu übertönen.
»Der Mann dort möchte, daß wir das Ding hier weitergeben«, brachte Oma hervor.
Magrat betrachtete argwöhnisch den Hals des Gefäßes. Sie versuchte heimlich, ihn an ihrem Kleid abzureiben, obgleich der Inhalt des Krugs eventuell vorhandene Bakterien längst abgetötet hatte. Die junge Hexe wagte einen kleinen, vorsichtigen Schluck und wandte sich dann an Nanny.
»Kwizathugner«, sagte sie und rieb sich Tränen aus den Augen.
Nanny setzte das Gefäß an die Lippen und trank. Und trank. Nach einer Weile gab ihr Magrat einen Stoß.
»Ich glaube, wir sollen den Krug weitergeben.«
Nanny wischte sich den Mund ab und bot den inzwischen wesentlich leichteren Behälter einer hochgewachsenen Gestalt an, die links vor ihr stand.
»Ich habe noch was für dich übriggelassen«, sagte sie.
DANKE.
»Tolles Kostüm. Die Knochen sind wirklich gut aufgemalt.«
Nanny drehte sich um und beobachtete einige jonglierende Feuerschlucker. Nach mehreren Sekunden schien ihr etwas einzufallen, und sie hob den Kopf, doch der Fremde war weitergegangen.
Sie zuckte mit den Schultern.
»Was machen wir jetzt?«
Oma Wetterwachs beobachtete einige Limbo-Tänzer, die nur noch wenige Zentimeter vom Boden trennten. Viele Tänzer in den Umzügen brachten ziemlich klar zum Ausdruck, was Maibäume nur andeuteten. Zudem waren sie mit Paillettenschmuck bedeckt.
»Ich schätze, von jetzt an fühlst du dich am Abort nie wieder sicher, oder?« fragte Nanny Ogg. Neben ihr saß Greebo und sah einige tanzende Frauen, die nur Federn trugen. Er schien zu überlegen, was sich mit ihnen anstellen ließ.
»Nein. Ich habe nicht etwa daran gedacht, sondern an … die Funktionsweise von Geschichten. Und jetzt möchte ich etwas essen.« Oma Wetterwachs atmete tief durch und faßte sich. »Ich meine richtiges Essen, keine Dinge, die vom Grund eines Teichs gekratzt wurden. Mir liegt nichts an irgendwelchem Cuisine -Zeug.«
»Du solltest etwas abenteuerlicher sein, Oma«, sagte Magrat.
»Oh, ich habe nichts gegen Abenteuer, in Maßen«, erwiderte Esme. »Doch beim Essen verzichte ich lieber darauf.«
»Dort drüben gibt’s eine Taverne, die Alligator-Brote anbietet«, meinte Nanny und wandte sich vom Umzug ab. »Stellt euch das vor, Alligator-Brote.«
»Das erinnert mich an einen Witz«, sagte Oma Wetterwachs. Etwas kratzte und schabte in ihren Gedanken.
Nanny Ogg hüstelte, aber der subtile Hinweis erzielte nicht die erhoffte Wirkung.
»Jemand betritt eine Taverne«, begann Esme und versuchte, das wachsende Unbehagen zu ignorieren. »Und dort sieht er ein Schild. Darauf steht geschrieben: ›Wir servieren alle Arten von Brötchen.‹ Der Mann liest das Schild und sagt dann zum Wirt: ›Bring mir ein Alligator-Brötchen – und ich will’s sofort!‹«
»Ich glaube nicht, daß sich Alligatoren gern auf Brot schmieren lassen«, sagte Magrat in die bleierne Stille.
»Und ich glaube, ein guter Lacher hat noch niemandem geschadet«, entgegnete Nanny.
Lilith sah die zwischen den Schlangenfrauen stehende Ella an und lächelte.
»Ach, das schöne Kleid zerrissen«, sagte sie. »Dabei war die Tür des Zimmers verschlossen. Ts, ts. Wie kann so etwas passieren?«
Ella starrte auf ihre Füße.
Liliths Lächeln wurde noch breiter, als ihr Blick zu den Schwestern glitt. »Nun, wir müssen irgendwie zurechtkommen. Hmm. Holt mir … holt mir zwei Ratten und zwei Mäuse. Ich weiß, daß ihr immer Ratten und Mäuse finden könnt. Und bringt mir den großen Kürbis.«
Sie lachte. Es war nicht das irre, schrille Lachen der besiegten bösen Fee. Nein, so lachte jemand, der gerade einen Witz verstanden hatte.
Nachdenklich betrachtete sie ihren Zauberstab.
»Aber zuerst schafft jene bösen Männer herbei«,
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