Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
scharfen Spitze am einen und dem Kopf einer Katze am anderen Ende – einen Stab mit seltsamen, ungläubigen Schnitzereien darauf.«
Der alte Mann schüttelte den Stab erregt vor dem Gesicht des Scheichs. »Dieser Stab ist älter als die Welt! Er birgt mächtigen Zauber! Ich habe in den alten in Eisen gebundenen Büchern davon gelesen, und der Prophet Mohammed selbst – Friede sei mit ihm! – hat in Allegorien und Parabeln von diesem Stab gesprochen! Siehst du den Katzenkopf auf dem Stab? Es ist der Kopf einer Göttin des alten Ägypten! Vor Jahrtausenden, lange ehe Mohammed lehrte, ehe Jerusalem gebaut wurde, trugen die Priester von Bast diesen Stock vor den gebeugt singenden Gläubigen einher! Mit ihm hat Musa schon vor Pharao Wunder gewirkt, und als die Jahudi aus Ägypten flohen, haben sie den Stab bei sich getragen. Dann war er jahrhundertelang das Zepter von Israel und Juda, und Suleiman ben Daoud hat mit ihm die Verschwörer und Magier vertrieben und die Ifrit und die bösen Dschinn eingekerkert! Schau doch! Und wir finden diesen alten Stab hier in den Händen eines anderen Suleiman!«
Der alte Yussef hatte sich selbst zu fanatischer Erregung aufgeputscht, aber Hassim zuckte bloß die Achseln.
»Er hat die Juden nicht vor der Gefangenschaft bewahrt und diesen Suleiman nicht davor, in unsere Gewalt zu geraten«, sagte er. »Mir ist er nicht so viel wert, wie ich die lange, dünne Klinge schätze, mit denen der Ungläubige die Seelen von drei meiner besten Schwertkämpfer ins Paradies geschickt hat.«
Yussef schüttelte den Kopf. »Dein Spott wird dir nichts Gutes einbringen, Hassim. Eines Tages wirst du auf eine Macht treffen, die sich nicht vor deinem Schwert teilt oder deinen Kugeln zum Opfer fällt. Ich werde den Stab behalten und ich warne dich – misshandle den Franken nicht. Er hat dir den heiligen und schrecklichen Stab von Suleiman und Musa und den Pharaonen gebracht, und wer weiß, welchen Zauber er aus ihm gezogen hat? Denn der Stab ist älter als die Welt und hat die schrecklichen Hände fremdartiger präadamitischer Priester in den stummen Städten unter den Meeren gekannt und aus einer Älteren Welt Geheimnisse und Zauber bewirkt, von denen die Menschheit nichts ahnt. Es gab ungewöhnliche Könige und Priester, als die Dämmerung noch jung war, und selbst in ihrer Zeit gab es das Böse. Mit diesem Stab haben sie das Böse bekämpft, das schon alt war, als ihre uns fremde Welt jung war. Das war vor so vielen Millionen Jahren, dass ein Mensch bei dem Versuch, sie zu zählen, schaudern würde.« Hassim reagierte ungeduldig und schritt davon, und der alte Yussef folgte ihm hartnäckig und redete weiter gereizt auf ihn ein. Kane zuckte die mächtigen Schultern. Mit dem, was er über die geheimen Kräfte jenes fremdartigen Stabs wusste, war ihm nicht danach, die Behauptungen des alten Mannes anzuzweifeln, so fantastisch sie auch scheinen mochten.
So viel wusste er – der Stock war aus einem Holz, das heutzutage auf der Erde nirgends mehr existierte. Als Beweis dafür, dass sein Material in einer anderen Welt gewachsen war, brauchte man ihn nur zu berühren oder anzusehen. Die erlesene Arbeit des Kopfes, der aus einem Zeitalter stammte, ehe es Pyramiden gab, die Hieroglyphen, Symbole einer Sprache, die schon vergessen war, als Rom noch jung war – sie alle, das fühlte Kane, hatte man in moderneren Zeiten hinzugefügt so wie man später in die Monolithen von Stonehenge englische Worte eingeritzt hatte.
Was den Katzenkopf anging – wenn Kane ihn ansah, hatte er manchmal das eigenartige Gefühl, es habe sich etwas geändert; eine undeutliche Wahrnehmung, dass der Knauf des Stabes einst in einem anderen Muster geschnitzt worden war. Der zu Staub gewordene antike Ägypter, der den Kopf von Bast gearbeitet hatte, hatte lediglich die ursprüngliche Figur verändert, und Kane hatte nie zu erraten versucht, was das für eine Figur gewesen war. Immer wenn er den Stab näher untersuchte, rief das in ihm eine beunruhigende, beinahe schwindelerregende Andeutung von Abgründen aus Äonen hervor und hielt ihn von weiteren Spekulationen ab.
Der Tag schleppte sich weiter. Die Sonne brannte unbarmherzig und verbarg sich dann hinter den großen Bäumen, als sie sich zum Horizont neigte. Die Sklaven litten entsetzlich unter Wassermangel, und während sie blindlings dahinschwankten, konnte man ständig ihr Wimmern hören. Einige stürzten, krochen auf allen Vieren und wurden von ihrem taumelnden Jochgefährten
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