Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
und wenn auch dieser Narr Ali wahrscheinlich Angst vor seinem eigenen Schatten bekam … sollten wir doch …«
»Doch«, spottete der Scheich, »doch, ihr werdet euch alle besser fühlen, wenn wir diesen Ort hinter uns gelassen haben. Meinetwegen; um eure Ängste zu beruhigen, werde ich das Lager verlegen – aber vorher will ich mir dieses Ding ansehen. Kettet die Sklaven zusammen, wir biegen in den Dschungel ab und sehen uns dieses Mausoleum an; vielleicht liegt dort ein großer König. Keiner wird Angst haben, wenn wir alle zusammen mit den Gewehren dorthin gehen.«
Und so wurden die müden Sklaven mit Peitschenhieben geweckt und stolperten von den Peitschen angetrieben weiter. Die Eingeborenen trotteten stumm und nervös dahin, beugten sich widerstrebend Hassims unerschütterlichem Willen, drängten sich aber dicht an die Araber. Der Mond war aufgegangen, riesig rot und mürrisch blickend, und tauchte den Dschungel in ein düsteres, silbernes Licht, das die brütenden Bäume als schwarze Schatten erscheinen ließ. Der zitternde Ali, von der Anwesenheit seines Meisters ein wenig beruhigt, wies den Weg. Und so zogen sie durch den Dschungel, bis sie zu einer seltsamen Lichtung zwischen den mächtigen Bäumen kamen – seltsam, weil dort nichts wuchs. Die Bäume standen in einem beunruhigend symmetrischen Ring um die Lichtung, und auf der Erde wuchs weder Flechte noch Moos, sodass es so aussah, als wäre der Boden von einer Krankheit befallen und zur Brache geworden. Und inmitten der Lichtung stand das Mausoleum.
Eine große, bedrückende Masse aus Stein war es, eine Aura des uralten Bösen lag darüber. Tot schien es, mit den Toten von hundert Jahrhunderten, und doch spürte Kane, dass die Luft um das Mausoleum herum wie vom langsamen, unmenschlichen Atem eines gigantischen, unsichtbaren Monstrums pulsierte.
Die eingeborenen Verbündeten der Araber zogen sich murmelnd zurück, die unheimliche Atmosphäre des Baus setzte ihnen zu; die Sklaven standen in einer geduldigen, stummen Gruppe unter den Bäumen. Die Araber gingen auf die düstere, schwarze Masse zu, und Yussef nahm Kanes Wächter das Seil weg und führte den Engländer wie eine übellaunige Dogge hinter sich her, gleichsam als Schutz vor dem Unbekannten.
»Ohne Zweifel liegt hier ein mächtiger Sultan«, sagte Hassim und tippte mit der Säbelscheide an den Stein.
»Woher stammen diese Steine?«, murmelte Yussef beunruhigt. »Sie wirken düster und unnahbar. Weshalb sollte ein großer Sultan so weit abseits von den Wohnstätten der Menschen bestattet sein? Wenn es hier Ruinen einer alten Stadt gäbe, wäre das anders …«
Er beugte sich vor und untersuchte die schwere Metalltür mit ihrem riesigen, seltsam verschmolzen wirkenden Schloss. Als er die in die Tür eingegrabenen antiken hebräischen Schriftzeichen erkannte, schüttelte er Unheil ahnend den Kopf.
»Ich kann sie nicht lesen«, stieß er mit bebender Stimme hervor, »und ich denke, es ist gut für mich, dass ich das nicht kann. Was alte Könige versiegelt haben, sollen Menschen nicht stören. Hassim, lass uns weiterziehen. Dieser Ort ist für die Söhne der Menschen mit Bösem geschwängert.«
Aber Hassim achtete nicht auf seine Warnung. »Der hier liegt, ist kein Sohn des Islam«, sagte er. »Weshalb sollten wir ihn nicht der Juwelen und der Reichtümer berauben, die man ihm ohne Zweifel ins Grab gelegt hat? Lass uns diese Tür aufbrechen.«
Einige der Araber schüttelten von Zweifel geplagt den Kopf, aber Hassims Wort war Gesetz. Er rief einen hünenhaften Krieger zu sich, der einen schweren Hammer trug, und befahl ihm, die Tür gewaltsam zu öffnen.
Als der Mann seinen Hammer schwang, stieß Kane einen scharfen, warnenden Ruf aus. War der Scheich wahnsinnig? Das offenkundige Alter dieser düsteren Masse aus Steinblöcken war ein Beweis dafür, dass das Grabmal seit Jahrtausenden ungestört hier gestanden hatte. Und dennoch hätte er schwören können, dass er aus dem Inneren des Baus Schritte gehört hatte! Sie stampften hin und zurück, als würde in der Enge jenes düsteren Gefängnisses etwas in endloser Monotonie auf und ab gehen.
Eine kalte Hand berührte Solomon Kanes Rückgrat. Er wusste nicht, ob die Geräusche an sein bewusstes Ohr drangen oder an unbekannte Tiefen seiner Seele rührten, doch er wusste, dass das Echo der trampelnden monströsen Füße in jenem unheimlichen Mausoleum von irgendwo aus seinem Bewusstsein kam.
»Halt!«, rief er aus. »Hassim, ich mag verrückt
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