Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
sein, aber ich höre den Schritt eines Unholds aus jenem Steinhaufen.« Hassim hob die Hand und hielt damit den über der Tür schwebenden Hammer auf. Er lauschte angespannt, und auch die anderen spitzten ihre Ohren in plötzlich verkrampfter Stille.
»Ich höre nichts«, knurrte der bärtige Riese.
»Ich auch nicht«, hallte es schnell aus vielen Mündern. »Der Franke ist verrückt!«
»Hörst du etwas, Yussef?«, fragte Hassim sardonisch.
Der alte Hadschi trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Seine Züge wirkten beunruhigt.
»Nein, Hassim, noch nicht …«
Kane entschied, dass er verrückt sein musste. Und doch wusste er tief in seinem Herzen, dass er nie bei klarerem Verstand gewesen war. Und zugleich wusste er, dass diese okkulte Schärfe seiner tieferen Sinne, die ihn von den Arabern unterschied, aus seiner langen Verbindung mit dem Juju-Stab herrührte, den der alte Yussef jetzt in seinen zitternden Händen hielt.
Hassim lachte schroff und gab dem Krieger ein Zeichen. Der Hammer sauste mit einem Krachen herunter, das betäubend und auf befremdliche Art verändert aus dem schwarzen Dschungel widerhallte. Wieder und wieder sauste der Hammer herab, getrieben von der ganzen Kraft gewaltiger Muskelstränge und eines mächtigen Körpers. Zwischen den Schlägen hörte Kane immer noch jene schweren Schritte, und er, der nie Furcht gekannt hatte, so wie Menschen sie kennen, spürte, wie die kalte Hand des Schreckens sich um sein Herz krallte. Diese Furcht war etwas völlig anderes als irdische oder sterbliche Furcht, so wie das Geräusch der Schritte anders als der Schritt von Sterblichen war. Kanes Grausen war wie ein kalter Wind, der aus den äußeren Bereichen unerahnter Dunkelheit über ihn wehte und den bösen Hauch des Verfalls einer Epoche trug, deren Leben zu Ende war, einer unsagbar antiken Periode. Kane war sich nicht sicher, ob er jene Schritte hörte oder sie vermittels eines schwachen Instinkts fühlte. Aber dass sie Wirklichkeit waren, stand für ihn fest. Das war nicht das Trampeln eines Menschen oder eines Tiers, nein, im Inneren jenes schwarzen, schrecklich alten Mausoleums bewegte sich ein namenloses Wesen mit den Schritten eines Elefanten, die die Seele erschütterten.
Der hünenhafte Krieger keuchte unter der Schwere seiner Aufgabe. Dann zersprang das alte Schloss endlich unter seinen mächtigen Hieben, die Angeln platzten und die Tür barst nach innen. Und Yussef stieß einen Schrei aus.
Aus dem schwarz gähnenden Eingang sprang keine Bestie mit Tigerfängen, auch kein Dämon aus Fleisch und Blut. Dafür strömte ein furchterregender Gestank in fast mit den Händen zu greifenden Wellen hervor, brauste in einem mächtigen, die Sinne betäubenden Schwall heraus, als würde Blut aus der zerfetzten Tür strömen, und namenloses Entsetzen überkam sie. Der Schwall hüllte Hassim ein, und der furchtlose Häuptling, der vergebens auf den nicht zu greifenden Erguss einschlug, schrie in plötzlicher ungewohnter Angst auf, als sein heruntersausender Säbel nur durch etwas glitt, was nachgiebig und unverletzbar wie Luft war, und er plötzlich spürte, wie ihn Windungen des Todes und der Vernichtung umschlangen.
Yussef kreischte auf wie eine verlorene Seele, ließ den Juju-Stab fallen und drängte sich zu seinen Kameraden, die in wilder Flucht in den Dschungel rannten, hinter ihren heulenden und schreienden Verbündeten her. Nur die Sklaven flohen nicht, sondern standen an ihr Verderben gefesselt und schrien ihr Grauen hinaus. Wie in einem Albtraum des Deliriums sah Kane, wie Hassim, eingehüllt von einem gigantischen, pulsierenden, roten Ding, das weder Form noch irdische Substanz hatte, wie ein Schilfrohr im Wind schwankte. Als das Knacken zersplitternder Knochen an sein Ohr drang und der Körper des Scheichs sich wie ein Strohhalm unter einem stampfenden Huf krümmte, zerriss der Engländer mit titanischer Anstrengung seine Fesseln und griff sich den Juju-Stab.
Hassim lag auf dem Boden, zerdrückt und tot, lag mit zerschmetterten Gliedern da wie ein zerbrochenes Spielzeug, und das rote, pulsierende Ding waberte auf Kane zu, wie eine dicke Wolke aus Blut, die ständig Form und Gestalt veränderte und dennoch taumelnd wie auf monströsen Beinen dahinschritt!
Kane spürte kalte Finger der Angst nach seinem Gehirn greifen, aber er stemmte sich dagegen, hob den uralten Stab und stieß ihn mit ganzer Kraft mitten in das Horrorgebilde hinein. Er spürte, wie der Stab auf eine unsagbare,
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