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Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Titel: Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert E. Howard
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hatten, und der sich, nachdem er lange mit ihnen geredet hatte, mit seinem Bowiemesser selbst die Kehle durchschnitten haben sollte.
    Was war das Geheimnis von Lost Valley, wenn nicht ein Geflecht aus Lügen und Legenden? Was bedeuteten jene zerbröselnden Steine, die über das ganze Tal verstreut, halb versteckt vom Gebüsch, eine seltsame Symmetrie aufwiesen, besonders im Mondlicht, sodass manche Leute es glaubten, wenn die Indianer heilige Eide schworen, es handle sich um die halb zerstörten Säulen einer prähistorischen Stadt, die einstmals im Lost Valley gestanden hatte? Reynolds selbst hatte am Sockel einer Klippe einen Schädel gesehen, den ein wandernder Prospektor ausgegraben hatte, ehe er zu einem Häufchen grauen Staubs zerfallen war, einen Schädel, der weder von einem weißen Mann noch einem Indianer zu stammen schien – einen seltsam spitz zulaufenden Schädel, der, abgesehen von der Ausbildung der Kieferknochen, auch von einem unbekannten vorsintflutlichen Tier hätte stammen können.
    Solche Gedanken huschten kurz durch John Reynolds Bewusstsein, als er die Steine forttrug, die die McCrills nur locker aufgetürmt hatten, aber dicht genug, um einen Wolf oder Bussard daran zu hindern, sich durchzuzwängen. Hauptsächlich galten seine Gedanken freilich den Patronen im Gürtel des toten Saul Fletcher. Eine Chance zum Überleben! Er würde sich den Weg aus den Bergen freikämpfen – würde die Reste seines Clans sammeln und zurückschlagen. Er würde weitere Revolvermänner und Halsabschneider zur Verstärkung der eigenen Reihen ins Land holen. Mit Blut würde er das Weideland überfluten und die ganze Gegend vernichten, wenn er sich nur so rächen konnte. Über Jahre war er der entscheidende Faktor in der Fehde gewesen. Als selbst der alte Esau schwach geworden war und sich den Frieden gewünscht hatte, hatte John Reynolds die Flamme des Hasses am Lodern gehalten. Diese Feindschaft war das bestimmende Motiv seines Handelns gewesen – das Einzige, was ihn im Leben interessierte, die Grundlage seiner Existenz. Die letzten Steinbrocken polterten zur Seite.
    John Reynolds trat in das Halbdunkel der Kaverne. Sie war nicht groß, aber die Schatten drängten sich dort zu fast greifbarer Substanz zusammen. Langsam passten seine Augen sich an; dann entrang sich unwillkürlich ein Aufschrei seinen Lippen – die Höhle war leer; er stieß verwirrt einen Fluch aus. Er hatte gesehen, wie die Männer Saul Fletchers Leiche in die Höhle getragen hatten und mit leeren Händen wieder herausgekommen waren. Und doch lag da auf dem staubigen Höhlenboden keine Leiche. Er ging an den hinteren Rand der Höhle, musterte die gerade, gleichmäßige Wand, bückte sich, suchte den glatten Felsboden ab. Sein scharfer Blick machte trotz des Halbdunkels einen stumpfen Blutschmierer auf dem Steinboden aus. Er endete abrupt an der hinteren Wand, und die Wand selbst wies keine Flecken auf.
    Reynolds beugte sich näher heran, stützte sich mit einer Hand an der Wand ab. Und plötzlich und verblüffend verschwand das Gefühl von Solidität und Festigkeit. Die Wand gab unter seiner ihn stützenden Hand nach, ein Teil davon schwang nach innen, ließ ihn kopfüber in eine schwarz-gähnende Öffnung taumeln. Seine katzenartige Behändigkeit konnte ihn nicht retten. Es war, als griffen aus den gähnenden Schatten unsichtbare Hände nach ihm und rissen ihn kopfüber in die Dunkelheit.
    Er fiel nicht weit. Seine ausgestreckten Hände trafen auf etwas, was sich wie in den Stein gehauene Stufen anfühlte und auf denen er zum Liegen kam. Dann richtete er sich auf und wandte sich rückwärts der Öffnung zu, durch die er gefallen war. Die Geheimtür hatte sich wieder geschlossen, seine tastenden Finger fanden nur eine glatte Steinwand. Er kämpfte die in ihm aufsteigende Panik nieder. Wie die McCrills von dieser geheimen Kammer erfahren hatten, war ihm ein Rätsel, aber offenbar hatten sie Saul Fletchers Leiche hineingelegt. Und dort würden sie, wenn sie zurückkehrten, John Reynolds finden, gefangen wie eine Ratte. Dann kräuselte ein grimmiges Lächeln in der Finsternis Reynolds’ schmale Lippen. Wenn sie die Geheimtür öffneten, würde ihn die Dunkelheit verbergen, während sie sich klar und deutlich vor dem schwachen Licht der äußeren Höhle abzeichneten. Gab es einen vollkommeneren Hinterhalt? Aber zuerst musste er die Leiche finden und die Patronen an sich bringen.
    Er drehte sich um, um sich die Stufen hinunter zu tasten, und sein

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