Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Titel: Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert E. Howard
Vom Netzwerk:
erster Schritt brachte ihn auf ebenen Boden. Das musste ein schmaler Tunnel sein, entschied er, denn obwohl er die Decke nicht berühren konnte, brauchte er bloß einen Schritt nach links oder rechts zu tun und seine ausgestreckte Hand traf auf eine Wand – zu glatt und zu symmetrisch, um natürlichen Ursprungs zu sein. Er ging langsam weiter, tastete sich durch die Dunkelheit an den Wänden entlang und rechnete damit, jeden Augenblick über Saul Fletchers Leiche zu stolpern. Als das nicht geschah, wuchs in seiner Seele unbestimmtes Entsetzen. Die McCrills waren nicht lang genug in der Kaverne gewesen, um die Leiche so weit in die Dunkelheit hineinzutragen. John Reynolds kam der Gedanke, dass die McCrills den Tunnel gar nicht betreten hatten – dass sie gar nicht um seine Existenz wussten. Aber wo, im Namen der Vernunft, war dann Saul Fletchers Leiche?
    Er blieb stehen, riss seinen Six-Shooter heraus. Etwas kam durch den dunklen Tunnel – etwas, das mit schweren Schritten aufrecht ging.
    John Reynolds wusste, dass es ein Mann war, der Reitstiefel mit hohen Absätzen trug; kein anderes Schuhwerk erzeugt beim Gehen ein so eigenartiges Geräusch. Auch das Klirren der Sporen hörte er. Und als John die zögernden Schritte näher kommen hörte, ging eine Welle namenlosen Entsetzens durch sein Bewusstsein, und er musste an die Nacht denken, als er in dem alten Corral gelegen hatte und sein jüngerer Bruder neben ihm gestorben war, und er gehört hatte, wie endlos zögernde, hinkende Schritte um sein Versteck kreisten, draußen in der Nacht, wo Saul Fletcher seine Wölfe geführt hatte und seinen Tod suchte.
    War der Mann nur verwundet worden? Die Schritte klangen steif und unsicher, so wie vielleicht ein verwundeter Mann gehen würde. Nein – John Reynolds hatte zu viele Männer sterben sehen; er wusste, dass seine Kugel geradewegs durch Saul Fletchers Herz gegangen war – ihm möglicherweise das Herz herausgerissen, ihn aber jedenfalls mit Sicherheit sofort getötet hatte. Außerdem hatte er gehört, wie der alte Jonas McCrill erklärt hatte, der Mann sei mausetot. Nein – Saul Fletcher lag leblos irgendwo in dieser schwarzen Höhle. Was da durch den Tunnel heraufkam, war ein anderer lahmender Mann.
    Jetzt verstummten die Schritte. Der Mann stand ihm gegenüber, nur durch einen Meter völliger Schwärze von ihm getrennt. Was hatte diese Situation an sich, dass sie den eisernen Puls von John Reynolds schneller gehen ließ, einem Mann, der unzählige Male unerschrocken dem Tod ins Auge gesehen hatte? Was war es, das ihm Schauder über den Rücken jagte, seine Zunge an seinem Gaumen festfrieren ließ? Etwas, das schlafende Instinkte der Angst weckte, so wie ein Mann die Anwesenheit einer unsichtbaren Schlange spürt und dabei das Gefühl hat, dass sie sich auch seiner Anwesenheit bewusst ist, mit Augen, die die Dunkelheit durchdringen?
    In der Stille hörte John Reynolds den Stakkatoschlag seines eigenen Herzens. Und dann sprang ihn der Mann erschreckend plötzlich an. Reynolds angespanntes Gehör erfasste die erste Bewegung jenes Sprungs, und er schoss aus nächster Nähe. Und er schrie – ein schrecklicher Schrei wie von einem Tier. Mächtige Arme umfassten ihn, unsichtbare Zähne bohrten sich in sein Fleisch, aber im brodelnden Taumel seiner Angst waren seine eigenen Kräfte übermenschlich. Im kurzen Aufblitzen seines Schusses hatte er ein bärtiges Gesicht mit schlaff herunterhängendem Mund und starren, toten Augen gesehen. Saul Fletcher! Der Tote, aus der Hölle zurückgekehrt!
    Wie in einem Albtraum kämpfte Reynolds jenen teuflischen Kampf in der Finsternis, wo die Toten die Lebenden in ihren Bann ziehen wollen. Er spürte, wie er im Griff klammernder Hände hin und her geschleudert wurde. Er wurde mit einer Gewalt, die seine Knochen zu sprengen drohte, gegen die Steinwand geschmettert, zu Boden gerissen, und dann hockte das lautlose Monster auf entsetzliche Weise auf ihm, und seine scheußlichen Finger krampften sich um seine Kehle.
    In diesem Albtraum hatte John Reynolds keine Zeit, an seinem Verstand zu zweifeln. Er wusste, dass er mit einem toten Mann kämpfte. Das Fleisch seines Widersachers war kalt und klamm wie aus dem Leichenhaus. Unter dem zerfetzten Hemd hatte er das runde, mit geronnenem Blut verkrustete Einschussloch gespürt. Von den schlaffen Lippen kam kein einziger Laut.
    Würgend und keuchend riss John Reynolds die Hände weg, die seinen Hals umklammerten, und stieß das Ding taumelnd von

Weitere Kostenlose Bücher