Tote essen kein Fast Food
âUnd jetzt ist Frida allein da drin.â
âDas ist eben die Frageâ, sagte Jan leise. âOb sie allein da drin ist. Da ist nämlich noch was ...â
Entnervt rieb Martin sich die Stirn und setzte zweimal hintereinander seine Brille auf und ab. âWas denn noch? Muss man euch jeden Satz einzeln aus der Nase ziehen?â
Mit beiden Händen hatte Svea in wilder Entschlossenheit das Seil gepackt und sah aus, als würde sie in der nächsten Sekunde in den Schacht springen.
âEs gibt einen zweiten Eingang zu dieser Höhle. Jedenfalls glauben wir das. Fanny und ich haben ihn heute Nachmittag entdeckt. Beim Königshafen.â
âSo ist es auch in Tante Hedis Bunkerbuch eingezeichnetâ, unterbrach ich ihn.
âTante Hedis Bunkerbuch???â
âEgalâ, sagte ich. âMitten auf der grünen Wiese tauchte jedenfalls plötzlich wie aus dem Nichts ein Mann auf. Das heiÃt, wir wissen nicht, ob es ein Mann war. Er hat eine Zigarette geraucht und ist dann Richtung Strand weggegangen.â
âUnd dann?â Martins rechte Hand umfasste angespannt die Schlinge.
âDann haben wir uns das angesehen. Ich bin über eine Metallöse im Boden gestolpert, die in einer Betonplatte verankert war und sich als Schlüssel zu einer glitschigen Treppe entpuppte.â
âIhr wart da drin?â, fragte Svea.
âNeinâ, sagte ich und fasste nach Jans Hand. âEs war so ... so ... unheimlich.â
âWusste Frida davon?â
âNein. Auch nicht von den Geräuschen. Nur Jan, Jasper und ich wissen davon. Und der, der sich da unten verkriecht.â
Svea schlug sich die Hand vor den Mund. Ein ersticktes Geräusch wie von einem Tier in Todesangst drang durch ihre verkrampften Finger.
âOkayâ, sagte Martin. âNeuer Plan. Jan und ich gehen runter. Jetzt. Ihr beiden ruft noch mal im Polizeirevier an und führt sie so schnell wie möglich zu dem zweiten Eingang.â
âKommt nicht infrageâ, sagte Svea. âHalt fest.â
Martin reagierte reflexartig und den Bruchteil einer Sekunde später hatte Svea sich wie Tarzan an einer Liane nach unten geschwungen. âBring die Taschenlampe mitâ, drang es nach einem stumpfen Plupp von ihren Sneakers nach oben. Ohne zu überlegen, riss ich sie Jan aus der Hand, stopfte sie in den Bund meiner Jeans und rutschte hinter Svea her. Jan blieb nur noch, geistesgegenwärtig das Seil zu packen, damit mein Vater nicht mit in das Loch hineingezogen wurde.
âGib mal her.â Sveas fordernder Ton ging mir trotz meines schlechten Gewissens auf den Keks. Wortlos reichte ich ihr Jans Taschenlampe. Ihr bläulicher Lichtkegel fuhr nervös in jede Ritze des Schachts auf der Suche nach etwas, das Frida hinterlassen haben könnte. Aber die einzigen Indizien menschlicher Anwesenheit, die wir fanden, waren eine leere PET-Flasche und der grüne Wollfaden, dessen eines Ende zur Spirale gekringelt unter der Deckenöffnung lag und von dort Richtung Gang führte. Als ich einen Schritt darauf zu machte, knisterte es unter meinem rechten FuÃ. Ich bückte mich nach einem zerknüllten hellen Papierball mit einer durchsichtigen Plastikhülle drum herum. âRAUCHEN KANN TÃDLICH SEINâ, las ich, nachdem ich ihn glatt gestrichenhatte. Und âChesterfieldâ. Sonst stand nichts darauf. Ich zerknüllte die leere Zigarettenpackung zwischen meinen Fingern und warf sie zurück neben die zu einem schwarzen Tarantelgerippe erstarrte Bananenschale auf dem Boden.
âHier ist nichtsâ, schrie Svea. âWir gehen jetzt los.â
âPolizei ist unterwegsâ, rief Martin zurück. âJan ist schon los zum Königshafen. Ich bleibe mit Jasper hier.â
Wir waren etwa zehn Meter in den unterirdischen Gang vorgedrungen, als ich plötzlich stockte. Chesterfield ... Wieso eigentlich Chesterfield? Die Kippen, die Jan und ich bisher an den einschlägigen Orten gefunden hatten, stammten von Zigaretten der Marke Nil. Beim Luftschutzraum im Lister Urwald hatten welche herumgelegen und bei der Falltür der alten Flakstellung auch. Und jetzt Chesterfield. Ich überlegte. Das konnte nur zwei Dinge bedeuten: Entweder es war der Person, mit der wir es hier zu tun hatten, egal, welche Marke sie rauchte. Oder es war mehr als eine, die hier unten ihren Geschäften nachging. Es sei denn, Frida hatte plötzlich mit dem Rauchen
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