Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
engagiert.«
»Hallo, Jeri!«, rief Raatikainen aus dem Fenster.
Wenig später stellte er eine Kanne Schwarzen Johannisbeersaft mit Eiswürfeln auf den Tisch.
»Aus der eigenen Ernte des Vorbesitzers. Soll ich dem Wauwau Wasser bringen?«
»Gern. Ich versuche übrigens, ihn an den Namen Jeri zu gewöhnen.«
Raatikainen war schlanker geworden und wirkte ausgeruht. Ihm fehlten die typischen Augenringe der Eigenheimrenovierer und Großkreditnehmer, sein Schritt war elastisch. Am erstaunlichsten war jedoch, dass wie auf eine unausgesprochene Vereinbarung hin diesmal jede Erörterung seines gesundheitlichen Zustands ausfiel.
Jeri löschte seinen Durst und rollte sich neben Kuhala im Schatten eines Pflaumenbaums zusammen. Kuhala erzählte, dass er im Mordfall Helena Jokela ermittle, und fragte Ratsku, ob er etwas über Eero Jokela, den Witwer, wisse. »Hat der nicht zu deiner Zeit zwei Kriminelle, hinter denen du her warst, rausgehauen? Zwei sogenannte klare Fälle?«
Raatikainen schob sich ein Stück Eis in die Backe und erinnerte sich. »Ja, ja. Man gewöhnte sich aber daran, und es gab ja noch mehr Rechtsgelehrte, die eine Klage nach der anderen schredderten. Aber am Ende hatten wir die zwei Kerle doch. Und viele andere auch.«
Er glaubte, Jokela habe sich seinen Ruf bei heiklen Verfahren Ende der Achtzigerjahre erworben, und wunderte sich ein bisschen darüber, dass sich so ein ehrgeiziger und begabter Mann mit einem Spielfeld von der Größe Jyväskyläs begnügte. »Aber jetzt ist er ja schon so alt, dass er nirgendwo mehr hinwill. Und dann der unschöne Vorfall mit seiner Frau. In der Stadt geht das Gerücht um, du hättest die Leiche gefunden.«
Kuhala nickte. Raatikainen fragte halb im Scherz, ob Kuhala von Geburt an die übernatürliche Fähigkeit mitbringe, Opfer von Gewaltverbrechen aufzuspüren, weil ihm das ja nicht zum ersten Mal passiert sei. »Dieser Goldschmied und …«
»Reiner Zufall. Und außerdem unangenehm. Jemand ist über mich hergefallen, als ich vorgestern im Regen am Tatort war. Hat versucht, mich mit einem Eisdorn kaltzumachen.«
»Nein, verdammt! Wie kann das … Wie hast du dich aus der Affäre gezogen?«
»Ebenfalls aus reinem, verdammtem Zufall. Aber hier wird mit zu großem Einsatz gespielt. Ich hätte Lust, zu tun, was Nevakivi sagt, und den Fall der Polizei zu überlassen. Aber andererseits habe ich inzwischen ja auch eine gewisse Verpflichtung zur persönlichen Heimzahlung.«
Raatikainen goss Saft nach und fragte, ob Kuhala wegen der Attacke Anzeige erstattet habe.
»Nein.«
»Also manchmal wundere ich mich schon über deine Mentalität des einsamen Revolverhelden.«
»Gibt es sonst keine Gerüchte in der Stadt?«, fragte Kuhala, um das Thema zu wechseln.
»Antikainen ist verschwunden. Das drängt langsam als Topthema in den Vordergrund«, antwortete Raatikainen.
Über den Weg, der am Grundstück entlangführte, brummte ein elektrischer Rasenmäher. Der Schornsteinfeger auf dem Dach des Nachbarhauses ließ das Drahtseil mit der Bürste in den Kamin hinab und guckte hinterher, als wären ihm die künstlichen Zähne in den Schacht gefallen.
Kuhala war nicht ganz darüber informiert, welche Beziehung Raatikainen noch zum Präsidium hatte, aber irgendein Deep Throat musste ihm dort Informationen stecken. Vielleicht gab Ratsku im Gegenzug Tipps aus der Erfahrung seiner Dienstjahre, und das Beste war, dass Kuhala dieses Vertrauen ebenfalls genoss. So wie jetzt.
»Im Präsidium wird gemunkelt, außer Antikainen wären auch von der Polizei konfiszierte Drogen verschwunden. Was die Menge betrifft, heißt es, ihr Geldwert bewege sich im verführerischen Bereich. Speziell wenn man an die Polizeigehälter denkt.«
»Das kann nicht wahr sein. Und was hat Antikainen damit zu tun?«
Raatikainen schob seine Baskenmütze nach hinten und kratzte sich im Nacken. Er schlug vor, den Dingen nicht vorzugreifen. »Wenn die Polizei Drogen beschlagnahmt, werden sie an die Zentralkripo geschickt und dort im Labor untersucht. Dort haben sie zwar jährlich mit Tausenden Proben zu tun, aber sie finden trotzdem schnell heraus, ob es sich um Amphetamin, Heroin, Kokain oder Kartoffelmehl handelt. Wenn sich die Lager füllen, wird das Rauschgift zum Verbrennen zur Sondermülldeponie in Riihimäki gebracht. Dort können bis zu zweihundert Kilo auf einmal vernichtet werden. Du kannst dir denken, dass die nicht auf einem offenen Lkw transportiert werden.«
Raatikainen wusste, dass schon relativ
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