Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
ein bisschen sicherer.«
Er trank ein Glas verdünnten Saft und legte sich wieder ins Bett, allerdings mit der leichten Befürchtung, wieder in den Traum zu rutschen, aus dem er aufgewacht war. Der Hund hechelte in der Küche. Kuhala sehnte sich nach Annukka, drehte sich auf die andere Seite und fand noch einen kühlen Streifen auf dem Kissen. Sollte er vor lauter Liebesschmerz den nächsten Schritt riskieren und die Verlobung vorschlagen? Wäre das altmodisch, würde Annukka zurückschrecken? Und wie organisiert man das Zusammenleben, wenn man in verschiedenen Städten wohnt?
Kuhala wälzte sich hin und her, der kühle Streifen auf dem Kopfkissen verlor allmählich seine Wirkung, aber für einen Moment hatte er sich angefühlt wie eine von Annukkas Pobacken, auf die er nach ihrem bislang letzten Liebesakt die Wange gelegt hatte.
Das nächste Mal wachte er erst kurz vor neun auf, und zwar von einer bis aufs Äußerste gespannten Morgenerektion und dem pulsierenden Verkehrsrauschen auf der Straße unten. Der maskuline Zustand legte sich innerhalb von fünf Sekunden durch den bloßen Gedanken an die bevorstehenden Herausforderungen, aber auch deshalb, weil so ein Zustand bei Fünfzigjährigen nun einmal schnell wieder vorbei ist. Irgendein Topurologe hatte in der Zeitung fleißiges Masturbieren empfohlen, um Prostatabeschwerden vorzubeugen, und dabei sogar volksnah den anatomischen Mechanismus des nutzbringenden Vorgangs beschrieben. Dennoch konnte sich Kuhala nicht für die frohe Botschaft vom segensreichen Fäusteln – oder Polieren des Baseballschlägers – erwärmen, dank seines fortgeschrittenen Alters.
Er flocht Annukka eine SMS mit ernsthaftem Liebesbekenntnis, wobei er die Zartheit der Haut ihres Hinterns mit Seide und dem Flor eines Pfirsichs verglich – »voll verknallt in Annukka…« –, und schickte sie auf der Stelle ab, bevor er seine Albernheit bereute. Und in dem Moment, in dem das Handy mitteilte, die Nachricht sei angekommen, nahm er den Duft von Annukkas Haut so real war, dass er fast zu Boden gegangen wäre.
Der Hund sah sich Kuhalas Treiben von der Türschwelle aus an.
»Guten Morgen! Wie wär’s, wenn ich dich Jeri nenne? Das ist ein traditioneller Hundename, der nicht nach Angeberei klingt. Viele Hunde heißen Jeri, da kann einem keiner vorwerfen, man wolle unbedingt was Besonderes sein.«
Der Hund legte den Kopf schief. Die Geste war schwer zu deuten, aber irgendwie schien die Angst nachgelassen zu haben. Bei beiden.
Neugierig beobachtete das Tier, wie sein neues Herrchen den Frühsport absolvierte, und kam ganz dicht an Kuhala heran, als dieser Liegestütze machte, als wollte es aufpassen, dass nicht geschummelt wurde. Beim Eindreschen auf den Sandsack saß Jeri in einer Art Eichhörnchenstellung auf den Hinterpfoten, als müsste er nun ein Auge auf die korrekte Ausführung der Schlagabfolgen haben, und tatsächlich lag in seiner unbeweglichen Haltung und seinen wachsamen Augen etwas von der Aufmerksamkeit eines Boxpromoters. Das Aufklatschen der Handschuhe erschreckte ihn gar nicht.
Nachdem man ihn wegen Herzbeschwerden in Frührente geschickt hatte, war Kriminalhauptmeister Heikki »Ratsku« Raatikainen von seinem muffigen Mietshaus in den Vorort Halssila gezogen, wo er sich ein renovierungsbedürftiges Holzhäuschen gekauft hatte. Es stand inmitten von Pflaumenbäumen und Johannisbeersträuchern auf einem sonnigen Hanggrundstück und wirkte so einladend und gemütlich, dass Kuhala glaubte, eine Fata Morgana vor sich zu sehen. Die traditionellen roten Wände und weißen Fensterrahmen leuchteten in der Morgensonne. Er beneidete Raatikainens schnelles Handeln: Als zu Beginn des Winters die Annonce in der Zeitung gewesen war, hatte er sofort reagiert.
Erhitzt und ein bisschen scheu tappte Jeri neben Kuhala her, ohne auch nur einen Meter von ihm zu weichen. Sie hatten fast vier Kilometer zurückgelegt. Diese Art von Trödeln brachte ihn zwar in den anstehenden Fällen kein bisschen voran, aber ihm stand ein Autokauf bevor, und das bremste ihn. Jedes Mal, wenn Kuhala an den Kauf eines Autos dachte, durchlief ihn ein widerwärtiger Schauer. Er hatte bei solchen Geschäften nie Glück gehabt, geschweige denn das Geld, um dem Unglück eine Wendung zu geben.
Raatikainen guckte aus dem Fenster. Auf dem Kopf trug er seine Baskenmütze für heiße Tage. »Komm rein. Oder doch nicht. Wir setzen uns in den Garten. Wen hast du denn dabei?«
»Jeri. Den habe ich als Hilfskraft
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