Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
zurück, als der Schornsteinfeger gerade von der Leiter stieg. Er erklärte, die Röhren seien in ordnungsgemäßem Zustand, und wechselte pfeifend aufs nächste Grundstück. Er pfiff keinen Ausschnitt aus » Der kleine Schornsteinfeger «, aber ohne seinen unauffälligen Einsatz wäre es um den Brandschutz schlecht bestellt. Und ohne Kuhalas Einsatz hätten die Kriminellen von Jyväskylä einen Hauch mehr Spielraum. Eine hoch entwickelte Gesellschaft ist nun mal ein komplexes Gebilde, sie braucht Schornsteinfeger, sie braucht Privatdetektive, und sie braucht alles Mögliche dazwischen.
»Was war noch mal in dem Saft drin?«
»Schwarze Johannisbeere. Wieso?«
»Ich glaube, ich werde alt. Die Hitze kam ein bisschen überraschend.«
»Setz dich. Du siehst blass aus.«
»Denkst du auch manchmal irgendwie feierlich oder pathetisch, dass alles, was du tust, am Ende nur lächerlich ist?«
»Also … nicht direkt … bist du sicher, dass du zu Fuß gehen kannst? Allerdings leben wir in pathetischen Zeiten. Du, da oben auf der Anhöhe ist eine Bushaltestelle, da fährt in fünf Minuten die Neun ab. Hunde fahren zum Kinderpreis. Verdammt, ich denke die ganze Zeit lachhaftes Zeug.«
Kuhala und Jeri schleppten sich zum Tor. Kuhalas Hand wedelte zuerst, dann der Schwanz des Hundes. Aus diesem Winkel betrachtet, erinnerte Raatikainens Haus an die gut gepflegten Villen in den Stockholmer Schären, bei denen man immer denken muss, dass dort nur glückliche Menschen wohnen.
»Warte«, rief Ratsku dann noch und lief Kuhala hinterher. »Fast hätte ich es vergessen. Wusstest du, dass Helena Jokela eine wohlhabende Frau war?«
»Nein.«
»Sie hat vor einigen Jahren ihre Eltern beerbt.«
»Woher, zum Teufel, weißt du das alles?«
Raatikainen deutete mit dem Daumen geheimnisvoll hinter sich und grinste, wobei der Rest seines durch die Explosion zerhäckselten Ohrs zuckte. »So was wird auf der Straße geredet. Ich weiß nicht, wer Helena Jokela beerbt, aber ich bin sicher, dass Eero Jokela in der Lage wäre, einen geschickten Ehevertrag aufzusetzen. Einen, der ihm zumindest keine Verluste beschert. Und falls seine Frau ihn betrogen hat … Wie klingt das als Ermittlungsrichtung?«
Kuhala massierte sich den Nacken. Der Saft drängte inzwischen in Form von Schweiß aus allen Poren. Er gab zu, dass die Konstellation etwas für sich hatte, war aber trotzdem skeptisch. »Falls Jokela seine Frau in der Hoffnung auf ihr Geld umgebracht hat, warum engagiert er dann mich, um den Täter zu suchen? Hat er feuchte Träume von seiner Festnahme? Geht es hier um Pirouetten, deren Schwierigkeitsgrad sogar für mich zu hoch ist?«
Kuhala setzte im Gefolge des Hundes seinen Weg fort, die Neun verließ gerade die Haltestelle und hinterließ eine Portion Dieselgestank in der Luft.
15
11. Juni Die Frau stand an der Treppe, die zur Detektei hinunterführte. Ihr Blick war abwesend und nach innen gekehrt. Als Jeris Pfoten auf dem Kies raschelten, fuhr sie zusammen, aber in die Augen, die ein bleiches Gesicht umrahmte, kam noch immer kein Leben.
Kuhala fragte sie, ob sie sich verirrt habe.
»Ich warte auf Sie. Ich bin Aila Antikainen. Sakaris Frau.«
Ihr Händedruck war nur eine leichte, kühle Berührung, und trotz der Hitze trug sie eine achtlos zugebundene Strickjacke mit aufgestelltem Kragen. Ihr Frieren kam von innen. Sie hatte unwiderruflich überzählige Kilos angesammelt und strahlte die Angst aus, die ein Mensch empfindet, wenn er begreift, dass er die beste Zeit bereits hinter sich hat.
Aus irgendeinem Grund kam Kuhala auf den Gedanken, dass sie sich nicht mehr lange auf den Beinen halten konnte, weil es sie schon so viel Kraft gekostet hatte, die Einflusssphäre ihres Zuhause zu verlassen und sich in die Vaasankatu zu bemühen.
»Gehen wir ins Büro. Das hier ist Jeri. Den habe ich mir zu meiner Gesellschaft zugelegt. Hat gute Manieren, der kleine Schlingel. Von allen Rassen, die in ihm stecken, hat er die guten Eigenschaften abbekommen, aber ich glaube, ich werde nie herausfinden, aus was für Rassen er zusammengesetzt ist.«
Die Frau hörte Kuhalas Wortschwall nicht zu. Ihre Haltung entsprach eins zu eins ihrer seelischen Rezession. »Mein Mann ist verschwunden.«
»Setzen wir uns. Bitte sehr«, sagte Kuhala versöhnlich. Dann ging er auf seine Seite und faltete die Hände auf dem Tisch. Jeri war vor dem leeren Terrarium geblieben, als wollte er demonstrieren, dass er vom ersten Klientengespräch an seine Aufgabe
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