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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Die Kontaktperson, die die Kämpfer am vereinbarten Ort in Empfang nahm, unterrichtete sie, daß es dort nicht ging. Über den Ingenieur Larionow, der das Quartier stellte, hatte man eben erfahren, daß er Agent der Geheimpolizei war.
    »Ihr Moskauer leistet schlechte Arbeit. Ein Agent im Quartier, das kann die ganze Gruppe kosten«, sagte Grin, dem von der Anstrengung auf der Draisine noch etwas schwindelte, zur Kontaktperson, die den sonderbaren Decknamen Nadel trug. Er sagte es ohne Gehässigkeit, rein konstatierend, doch Nadel war gekränkt.
    Grin wußte kaum etwas über sie. Dem Vernehmen nach aus guten Verhältnissen. Verknöcherte alte Jungfer, für die Sache eigentlich zu alt. Der blutleere Mund verkniffen, das glanzlose Haar im Nacken zu einem straffen Knoten gebunden. Die Revolution zog solche anscheinend an.
    »Würden wir schlecht arbeiten, hätten wir Larionow nicht enttarnt«, fauchte sie. »Aber sagen Sie, Grin, brauchen Sie unbedingt ein Quartier mit Telefonanschluß? Das ist nicht so einfach.«
    »Ich weiß, aber es muß sein. Für dringende Kontakte, Alarmrufe, Vorwarnungen et cetera«, erklärte er, während er sich im stillen schwor, künftig, wenn es darauf ankam, nur noch auf die eigenen Ressourcen zurückzugreifen, ohne die Zuarbeit der Partei.
    »Dann muß ich Sie einer Reserveadresse zuweisen, einem von den Sympathisanten. Moskau ist nicht Petersburg, müssen Sie wissen, ein eigenes Telefon haben die wenigsten.«
    So kam es, daß die Gruppe bei dem Privatdozenten landete. Über ihn hatte Nadel gesagt, daß er eher zu den Liberalen als zu den Revolutionären zählte und terroristische Methoden nicht guthieß – doch das mache nichts, er sei ein ehrlicher Mann mit progressiven Ansichten und verweigere die Unterstützung gewiß nicht, zumal man ihn ja nicht mit Einzelheiten behelligen müsse.
    Nadel führte Grin und seine Leute zu einem vornehmen Mietshaus auf der Ostoshenka (die große Wohnung lag in der obersten Etage, was günstig war, wegen des Fluchtwegs über das Dach) und erläuterte dem nervösen Hausherrn, bevor sie ging, kurz und sachlich die Grundregeln der Konspiration: »Ihr Haus ist das höchste im Stadtteil, das ist sehr gut. Ich kann aus meinem Mezzanin mit dem Fernglas Ihre Fenstersehen. Solange alles ruhig ist, bitte ich die Vorhänge im Wohnzimmer offenzulassen. Beide Vorhänge zugezogen bedeutet Schiffbruch. Eine Gardine zugezogen – SOS. Dann rufe ich an und frage nach Professor Brandt. Sie antworten entweder: ›Pardon, falsch verbunden‹, dann komme ich unverzüglich, oder: ›Pardon, hier ist der Anschluß von Privatdozent Aronson‹ – dann schicke ich einen Kampftrupp zu Hilfe. Können Sie sich das merken?«
    Aronson, der blaß geworden war, nickte. Als Nadel gegangen war, murmelte er nur, die »Genossen« sollten die Wohnung bitte schön nach Belieben in Anspruch nehmen, das Dienstmädchen habe er allerdings fortgeschickt, wenn etwas benötigt würde – er sei in seinem Arbeitszimmer. Von dort war er den halben Tag lang nicht mehr hervorgekommen. So etwas nannte sich »Sympathisant«. Zwei Wochen hierzubleiben ging auf keinen Fall, hatte Grin gleich entschieden. Morgen mußte die Adresse gewechselt werden.
    »Wozu denn schlafen?« maulte Rachmet und zuckte mit den Schultern. »Die Herren können tun, wie ihnen beliebt, aber ich für mein Teil würde gern Larionow einen Besuch abstatten. Diesem Judas. Bevor er merkt, daß er enttarnt ist. Powarskaja achtundzwanzig, nicht wahr? Das ist doch gar nicht weit von hier.«
    »Finde ich auch!« unterstützte Stieglitz den Vorschlag mit Eifer. »Da möchte ich mit. Und noch lieber würde ich das alleine machen, ihr habt ja heute schon genug gearbeitet. Ich erledige das, Ehrenwort! Er öffnet, und ich frage: Sind Sie Ingenieur Larionow? Damit ich nicht aus Versehen einen Unschuldigen erschieße. Und dann sag ich: Büße, Verräter! und pflanze ihm eine Kugel ins Herz – oder gleich drei, zur Sicherheit, und dann zieh ich Leine. Kinderspiel!«
    Rachmet warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend.
    »Kinderspiel, jaja! Du kannst es ja mal probieren! Wie ich auf dem Exerzierplatz den von Bock erschossen hab, so aus nächster Nähe, da sind ihm die Augen aus der Pfanne gesprungen, ich kann dir sagen! Zwei rote Murmeln! Ich hab noch lange davon geträumt. Da wachst du auf im kalten Schweiß. Von wegen Kinderspiel!«
    Und Schwerubowitsch mit dem zerfließenden Gesicht? dachte Grin. Träumst du von dem wenigstens auch?
    »Na

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