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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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braunen Augen zusammen. »Schwierigkeiten, nehme ich an? Geht’s um den Vorfall gestern auf dem Litejny?«
    Daß Timofej Lobastow seine Leute an den unglaublichsten Stellen sitzen hatte, wußte Grin; soviel Einblick fand er aber nun doch erstaunlich.
    »Sagen Sie bloß, Sie legen auch im Departement Ihre Köder aus?« fragte er und zog im selben Moment eine Grimasse, als wollte er die ungebührliche Frage zurücknehmen.
    Eine Antwort war sowieso nicht zu erwarten. Vor ihm stand ein kerniger Mann, Farbe: saftiges Nußbraun, wie nur Menschen mit Selbstsicherheit und starkem innerem Antrieb sie haben.
    »Geschrieben steht: Laß dein Brot über das Wasser fahren; denn du wirst es finden nach langer Zeit.« Der Fabrikant lächelte listig, dann senkte er den runden Kopf wie ein Stier. »Um wieviel haben sie euch erleichtert?«
    »Dreihundertfünfzig.«
    Lobastow stieß einen leisen Pfiff aus, steckte die Daumen in seine Westentaschen. Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht.
    »Mit Verlaub, Herr Grin«, sagte er hart. »Ich bin ein Mann des Wortes. Im Unterschied zu Ihnen. Ich wünsche mit Ihrer Organisation nichts mehr zu tun zu haben. Im Januar habe ich meinen Halbjahresbeitrag von fünfzehntausend akkurat überwiesen und darum gebeten, mich bis Juli nicht mehr zu behelligen. Mein Geldbeutel ist tief, aber nicht bodenlos. Dreihundertundfünfzigtausend! Das geht zu weit!«
    Grin maß den ehrenrührigen Worten keine Bedeutung bei. Emotionen, weiter nichts.
    »Sie haben mich gefragt, ich habe Ihnen geantwortet«, erwiderte er gleichmütig. »Ein paar Zahlungen sind fällig. Die einen haben Geduld, die anderen nicht. Vierzigtausend müssen sein. Andernfalls blüht uns der Galgen. So etwas würde Ihnen nicht verziehen.«
    »Versuchen Sie nicht, mich einzuschüchtern!« brauste der Fabrikant auf. »Würde nicht verziehen – was soll das heißen! Denkt ihr etwa, ich gebe euch Geld, weil ich Angst habe? Oder als Gnadenvorschuß für den Fall, daß ihr einmal die Oberhand gewinnt?«
    Grin schwieg, denn es war genau das, was er dachte.
    »Das könnte euch so passen! Ich habe vor nichts und niemandem Angst!« Lobastows Gesicht färbte sich rot vor Zorn, seine Wange zuckte. »Und Gott behüte uns vor eurem Sieg! Aber er wird niemals eintreten! Glaubt ihr wirklich, ihr könntet einen Lobastow vor euren Karren spannen? Das wäre noch schöner! Umgekehrt wird ein Schuh daraus! Wenn ich hier zu Ihnen offen bin, dann weil Sie ein pragmatisch denkender Mann sind, ohne Pathos. Sie und ich, wir sind vom selben Kaliber. Nur verschieden im Geschmack. Ha-ha!«
    Lobastow meckerte ein kurzes Lachen und entblößte dabei seine gelblichen Zähne.
    Was redet er so durch die Blume? dachte Grin. Es ließe sich doch auch unverblümt sagen.
    »Wieso helfen Sie uns dann?« fragte er und korrigierte sich sogleich: »Oder haben uns geholfen?«
    »Weil ich begriffen habe, daß man diesen aufgeblasenen Idioten einen Schrecken einjagen muß, damit sie den gescheiten Leuten nicht länger Knüppel zwischen die Beine schmeißen und sie daran hindern, das Land aus dem Sumpf zu ziehen. Man muß diesen Eseln einen Denkzettel geben. Sie mit der Nase in den Dreck stoßen. Und das tut ihr. Sollen Sie doch endlich begreifen, daß Rußland nur zwei Möglichkeiten hat: Entweder es geht Lobastows Weg oder euren, und dann geht alles zum Teufel. Einen Mittelweg gibt es nicht.«
    »Mit anderen Worten, Sie investieren in uns«, sagte Grin und nickte. »Das verstehe ich. Davon habe ich gelesen. In Amerika nennt man das Lobbyismus. Und da wir hier kein Parlament haben, nehmen Sie Terroristen zu Hilfe, um Druck auf die Regierung auszuüben. Bekomme ich von Ihnen die vierzigtausend?«
    Lobastows Gesicht versteinerte, nur das nervöse Wangenzucken blieb.
    »Nein. Sie sind ein kluger Mann, Herr Grin. Den Lobbyismus, wie Sie es nennen, lasse ich mir dreißigtausend pro Jahr kosten. Und keine Kopeke mehr. Wenn Sie wollen, können Sie die fünfzehntausend für das zweite Halbjahr im voraus haben.«
    Grin überlegte einen Moment, bevor er antwortete.
    »Nicht fünfzehn. Wir brauchen vierzig. Leben Sie wohl.«
    Mit diesen Worten drehte er sich um und ging zur Tür.
    Der Chef kam ihm hinterher. Hatte er es sich andersüberlegt? Wohl kaum. Das war nicht sein Stil. Warum lief er ihm nach?
    »Waren Sie das … mit Chrapow?« drang Lobastows gehauchte Frage an sein Ohr.
    Ach so.
    Grin lief wortlos die Treppe hinab. Während er das Fabrikgelände verließ, überlegte er, wie weiter zu

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