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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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nach vorne, ist alles in Ordnung. Gehe ich allein und nach hinten ab, ist das das Signal. Dann erledigt ihr ihn. Kriegt ihr das hin? Er ist schnell. Wenn nicht, mache ich es lieber selbst.«
    »Nein, nein«, erwiderte Nadel hastig. »Die kommen zurecht. Das tun sie nicht zum ersten Mal. Wir hatten schonSpitzel. Ich werde ihnen die Sache erläutern. Das darf ich doch?«
    »Das müssen Sie sogar. Die müssen klarsehen. Zumal, wenn sie beim Überfall dabei sind.«
    »Aha?« Ein Leuchten ging über ihr Gesicht. »Es gibt also doch einen Überfall? Alles, was recht ist, Sie sind ein erstaunlicher Mensch … Ich … ich bin stolz darauf, Ihnen behilflich zu sein. Alles wird bestens erledigt, seien Sie unbesorgt.«
    Das zu hören kam überraschend, und es war nicht unangenehm. Grin empfand den Wunsch, die Freundlichkeit zu erwidern, und ihm fiel etwas ein: »Das bin ich. Ganz bestimmt.«
     
    Grin betrat die Teestube erst fünf vor neun, um Rachmet ein wenig zappeln zu lassen. Er sollte Zeit haben, sich über seine Situation klarzuwerden.
    Das Lokal war ärmlich, aber sauber. Der Gastraum mit niedrigem Gewölbe, einfache Leinentücher auf den Tischen. Auf dem Tresen die Samoware, dazu bunt bemalte Tabletts mit Bergen von Pfefferkuchen, Äpfeln und Hörnchen.
    Das Publikum – junges Volk, überwiegend Studenten in Zweireihern – trank Tee, qualmte Tabak und las Zeitung. Hie und da saß man in Gesellschaft, disputierte und lachte, irgendwo wurde gar versucht, einen Chor zu intonieren. Doch konnte Grin nirgends Flaschen auf den Tischen entdecken.
    Rachmet hatte sich einen kleinen Tisch am Fenster gewählt und las im
Nowoje slowo
. Beim Umblättern sandte er Grin einen flüchtigen Blick.
    Weder im Lokal noch davor war etwas Verdächtiges zu entdecken. Dort drüben, links vom Tresen, war der Hinterausgang.In einer Ecke saßen zwei junge Männer schweigsam vor einer großen, »doppelstöckigen« Teekanne. Der Beschreibung nach mußten das Marat und Splint sein, die zwei aus der Moskauer Einheit: lang und knochig der eine, das glatte Haar bis auf die Schultern, der zweite breitschultrig, stupsnasig, mit Brille.
    Grin schlenderte zu dem Fenstertisch hinüber und nahm Rachmet gegenüber Platz. Er sagte erst einmal nichts. Sollte der andere reden.
    »Grüß dich«, sagte Rachmet leise, legte die Zeitung beiseite und blickte Grin aus klaren blauen Augen an. »Danke, daß du gekommen bist …«
    Er artikulierte die Worte seltsam, irgendwie zischend: »… dasch du gekommen bischt.« Grin sah hin und bemerkte, daß die Vorderzähne fehlten. Ringe unter den Augen, Schrammen am Hals. Nur Rachmets Blick war der alte: anmaßend, nicht die Spur schuldbewußt.
    Was er sagte, klang allerdings anders: »Ich weiß, es ist meine Schuld. Ich hab nicht auf dich gehört. Dafür hab ich büßen müssen, reichlich sogar … Ich dachte schon, es kommt keiner. Paß auf, Grin, ich schlage vor, erst rede ich, und dann entscheidest du. Abgemacht?«
    All dies war müßige Vorrede. Grin wartete.
    »Also.« Mit verlegenem Lächeln fuhr sich Rachmet durch die in die Stirn hängende Tolle, die gleichfalls stark gelitten hatte, und fing an zu berichten.
    »Ich hatte es mir so schön gedacht: für ein Stündchen ausbüxen, den Schweinehund abknallen und auf leisen Sohlen zurückkehren. Mich ins Bett legen und schnarchen. Du kommst mich wecken, ich schlag die Augen auf und gähne, als hätte ich geschlafen wie ein Bär. Und am nächsten Tag,wenn sich rausstellt, daß Larionow tot ist, laß ich die Katze aus dem Sack. Das hätte einen Knalleffekt gegeben … Na, den gab’s ja nun auch so.
    Kurz, auf der Powarskaja bin ich in einen Hinterhalt getappt. Da hatte ich diesen Larionow aber schon erledigt. Dem Schwein hab ich das Blei in der Harnblase versenkt, damit er nicht zu schnell abkratzte, noch ein bißchen nachdenken konnte über seine Schäbigkeit. Das Dumme war bloß, daß der Hundesohn die Gendarmerie im Nebenzimmer sitzen hatte. Herr Fandorin persönlich, dein Zwillingsbrüderlein. Bis auf die Straße hab ich es noch geschafft, aber dort war alles abgeriegelt. Die Bluthunde haben mich angefallen und in die Mangel genommen, hier, den ganzen schönen Haarschnitt haben sie mir verdorben.
    Von da brachten sie mich zur Geheimpolizei, Bolschoi Gnesdnikowski. Zuerst hat der Chef mich verhört, Oberstleutnant Burljajew. Dann kam Fandorin dazu. Abwechselnd auf die sanfte und auf die harte Tour. Die Zähne hat mir Burljajew eigenhändig ausgeschlagen. Hier, ist das

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