Tote im Salonwagen
beim Generalgouverneur gewesen war.
»Es sieht böse aus, Fandorin«, hob Swertschinski finster an, ganz ohne die üblichen rhetorischen Verrenkungen, kaum daß sie in den Sesseln saßen und die Zigarren angezündet waren. »Ist Ihnen aufgefallen, daß er nicht einmal daran gedacht hat, Dolgorukoi seine Aufwartung zu machen? Das läßt tief blicken. Der Alte ist am Ende. Sein Schicksal ist höhererseits besiegelt. So viel ist klar.«
Smoljaninow seufzte mitfühlend, und Fandorin wiegte traurig den Kopf.
»Für den Fürsten wird dies ein schrecklicher Schlag sein«, sagte er. »Er ist ja trotz seines Alters k-körperlich und geistig noch voll auf der Höhe. Und die Stadt hatte es gut unter ihm.«
»Vergessen Sie die Stadt«, erwiderte der Oberst schroff. »Wichtiger ist, daß Sie und ich es gut hatten. Und ohne ihn wird es uns schlecht ergehen. Mich jedenfalls wird man in meinem Amt wohl kaum bestätigen. Und auch Ihr schönes Leben dürfte der Vergangenheit angehören. Der neue Generalgouverneur hat seine eigenen Pferde im Stall.«
»K-k-… Kann gut sein. Aber was soll man da machen?«
»Ich weiß es. Man muß diesem Posharski ein Schnippchen schlagen.« Der sonst so bedächtige Oberst war nicht wiederzuerkennen.
»Sie meinen, wir sollten ihm die Terroristen abjagen.« Der Staatsrat konstatierte es mehr, als daß er fragte.
»Genau. Und nicht nur das. Dieses Fürstlein ist mir zu emsig, das muß man neutralisieren.«
Beinahe hätte sich Fandorin am Zigarrenrauch verschluckt.
»Swertschinski! Gott bewahre! Sie meinen doch nicht etwa, man sollte ihn …?«
»Beseitigen? Natürlich nicht. Das fehlte noch. Nein, es gibt bessere Methoden.« Swertschinskis Stimme bekam einen versonnenen Ton. »Man könnte diesen Unruhestifter bloßstellen. Ihn zum Affen machen. Fandorin, mein Lieber, wir müssen es denen zeigen, daß wir, die Dragoner aus Dolgorukois Stall, diesem dahergelaufenen Petersburger Großkotz allemal das Wasser reichen können!«
»Ich für mein T-teil habe gar nicht vor, mich aus den Ermittlungen herauszuhalten«, stellte der Staatsrat fest. »Bei seiner Rollenverteilung hat Herr Posharski mich zwar außen vor gelassen. Aber das heißt noch lange nicht, daß ich D-d-… Däumchen drehe. Das ist nicht meine Art.«
»Na, dann ist es ja gut.« Der Oberst sprang auf, lief energisch im Zimmer auf und ab, dachte nach. »Sie werden also Ihr analytisches Talent bemühen, das uns schon so oft aus der Klemme geholfen hat. Derweil werde ich für den Spott sorgen.« Das weitere murmelte Swertschinski in seinen Bart, nur Fetzen davon waren zu verstehen: »Loskutnaja, Loskutnaja … Wie heißt denn der, den ich da … Dieser Etagenwart … Terpugow? Sytschugow? Egal … Und Koko, ja … Unbedingt Koko … Genau die Richtige …«
»Herr Fandorin, darf ich mich Ihnen anschließen?« fragte Smoljaninow flüsternd.
»Ich fürchte, nein. Im Moment gelte ich wohl eher als Privatperson«,erwiderte Fandorin ebenso leise, und da er das jugendliche Gesicht des Oberleutnants vor Enttäuschung lang werden sah, fügte er tröstend hinzu: »Tut mir leid. Ich hätte Sie g-gut gebrauchen können. Aber macht nichts, wir ziehen ja trotzdem weiter an einem Strang.«
Vom Amt nach Hause waren es nicht mehr als fünf geruhsame Minuten zu Fuß. Doch diese Zeit genügte dem Staatsrat vollauf, um seinen Wirkungskreis in den Ermittlungen neu abzustecken – der allerdings eng und nicht eben verheißungsvoll geriet.
Fandorin überlegte folgendermaßen:
Den kürzestmöglichen Weg, auf die Kampfgruppe zu stoßen – den über Rachmet-Gwidon – hatte Posharski für sich reserviert.
Die geheime Staatspolizei würde den Terroristen auf Umwegen beizukommen versuchen, indem sie das revolutionäre Netz Schnur für Schnur und Knoten für Knoten abtastete.
Die Gendarmerie stand zum Zugriff bereit, wenn die Terroristen versuchen sollten, die Stadt zu verlassen.
Und außerdem war da noch Seydlitz, der drauflosagieren würde wie der Elefant im Porzellanladen, mit Mitteln und Methoden, an die man lieber nicht denken mochte. Mylnikows Agenten würden ihm an den Fersen kleben.
So war die Kampfgruppe unter Leitung des Herrn Grin von allen Seiten umzingelt. Es gab kein Entkommen. Ein privater Ermittler mit nebulösen Vollmachten hatte hier wohl nichts mehr zu schaffen. Auch ohne ihn traten sich die Detektive schon auf die Füße.
Doch es gab drei Motive, derentwegen Fandorin sich unverzüglich und entschlossen einzuschalten wünschte.
Der
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