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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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eingeschlagener Schädeldecke gefunden, gekleidet genau wie dieser Joker und von Kulikow inzwischen zweifelsfrei identifiziert. Joker ist ein geläufiger Spitzname im kriminellen Milieu, so nennt man gern einmal einen besonders flinken und geschickten Banditen. Doch aufgrund von Quellen darf man vermuten, daß es sich um den legendären Petersburger Raubmörder Tichon Bogojawlenski handelt, der den Nihilisten nahegestanden haben soll. Wie Sie wissen, ist der Leichnam zur Identifizierung auf dem Weg nach Petersburg. Tut aber nicht mehr viel zur Sache! Herr Grin hat diesen Faden säuberlich gekappt. Um so günstiger für ihn, da er das Geld mit niemandem teilen muß.« Der Fürst verschränkte die Hände, ließ die Knöchel knacken. »Und dabei ist dieser Raubüberfall nicht einmal das größte Malheur. Es gibt einen noch betrüblicheren Vorfall.«
    Im Raum wurde es still. Ein ärgeres Mißgeschick als das geschehene konnten die Anwesenden sich schwerlich vorstellen.
    »Wie Sie wissen, hat Titularrat Subzow den Telefonanschluß ermitteln können, von dem aus kurz vor dem Überfall auf die Kutsche ein Mann hier in der Behörde angerufen hat. Es ist der Privatanschluß des Rechtsanwalts Simin in der Mjasnizkaja. Da Simin zur Zeit einem Gerichtsprozeß in Warschau beiwohnt – davon konnte man in allen Zeitungen lesen –, habe ich meine Agenten vor Ort geschickt, um diskret herauszufinden, welcher schüchterne Herr das Gespräch mit unserem Titularrat gescheut hat. Nachdem die Agenten sich überzeugt hatten, daß in der betreffenden Wohnung kein Licht brannte, öffneten sie die Tür – und stießen auf eine Leiche.«
    In die entstehende Pause hinein platzte Fandorin mit der leisen Frage: »Etwa Gwidon?«
    »Woher wissen Sie das?« Posharski fuhr jäh zu ihm herum. »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Nur so«, erwiderte Fandorin achselzuckend. »Sie sagten doch, etwas noch Betrüblicheres als der Geldraub sei vorgefallen. Und wir alle wissen, daß der Agent Gwidon für Sie die Schlüsselrolle in den Ermittlungen einnahm. Wessen Tod könnte Sie mehr aus der F-fassung bringen?«
    »Applaus, Applaus, Herr Staatsrat«, versetzte der Vizedirektor gereizt. »Wären Sie mit Ihren glänzenden Deduktionen nur etwas früher zur Stelle gewesen! Es handelt sich in der Tat um Gwidon. Alle Zeichen deuten auf Selbstmord: Eine Hand hielt den Dolch mit der Gravur
KG
umklammert, die Stichwunde im Herzen stammt von derselben Waffe. Anscheinend habe ich die psychologische Disposition des Subjekts doch nicht ganz richtig eingeschätzt.«
    Die Selbstanklage fiel Posharski sichtlich schwer. Fandorin wußte die Geste zu würdigen.
    »So weit daneben lagen Sie vermutlich nicht«, sagte er. »Es sieht danach aus, als hätte Gwidon seine Genossen ausliefern wollen, angerufen hat er ja tatsächlich, erst im letzten Moment meldete sich das Gewissen. K-k-… Kommt vor bei Verrätern.«
    Posharski verstand die Anspielung auf ihr Zwiegespräch von vorhin und lächelte kurz in sich hinein, bevor seine Miene sich wieder verdüsterte.
    »Und wo bleibt eigentlich Ihr Mylnikow?« wandte er sich genervt an Oberstleutnant Burljajew. »Er ist momentan unsere letzte Hoffnung. Joker tot, Gwidon tot. Dazu noch ein unbekannter Toter, der am Somowski tupik hinter der Kirchmauer gefunden wurde. Die Identifizierung weist uns hoffentlich eine neue Fährte.«
    »Mylnikow hat sämtliche Polizeireviere in Alarmbereitschaft versetzt«, posaunte Burljajew. »Seine Agenten vergleichen die Photographie des Toten mit allen verfügbaren Kartotheken. Sollte es sich um einen Moskauer handeln, werden wir ihn finden.«
    »Und ich darf Sie, Herr Staatsrat, in Fortführung unseres Streitgesprächs auf noch einen Umstand hinweisen«, sagte Posharski, an Fandorin gewandt. »Der Unbekannte hatte einen Streifschuß am Hals, der nicht lebensgefährlich war. Doch seine Gefährten zogen es vor, ihn nicht mitzunehmen, sondern mit einem Schuß in die Schläfe zu erledigen. Feine Manieren sind das!«
    »Könnte es nicht auch sein, daß der V-verwundete sich selbst erschossen hat, um den Genossen nicht zur Last zu fallen?« äußerte Fandorin seine Zweifel.
    So viel Schöngeisterei ließ Posharski nur die Augen verdrehen, während Swertschinski aufstand und etwas vorzuschlagen hatte.
    »Wenn Sie es wünschen, Herr Vizedirektor, kann ich die erkennungsdienstlichen Maßnahmen persönlich in die Hand nehmen«, erbot er sich. »Ich lasse alle Moskauer Hausmeister zusammentreiben und antreten. Ein

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