Tote Kehren Nicht Zurück
Besteck finden konnte, und eine fremde Küche konnte ein verwirrender Ort sein. Das Mädchen hatte willkürlich Schränke und Schubladen geöffnet auf der Suche nach Tellern, Salz und Pfeffer, Tassen und Besteck. Er hatte ihre Schwierigkeiten bemerkt und sich dennoch beharrlich geweigert, ihr zu verraten, wo sie was finden konnte. Es war ein kleinlicher Akt der Böswilligkeit gewesen, und das war der Grund, aus dem er nun Verlegenheit in sich spürte. Doch sie, gleichermaßen starrköpfig, hatte sich geweigert, ihn zu fragen. Was letzten Endes dazu geführt hatte, dass er sich fragte, ob Starrköpfigkeit in der Familie lag – um sich sogleich wütend zu schelten, dass sie nicht zur Familie gehörte. Irgendwann hatte sie alles zusammengehabt, was zum Decken des Tisches erforderlich war, ohne ihn fragen zu müssen. Und so hatte sie in gewisser Weise die lautlose Konfrontation gewonnen – was ihn letztendlich noch wütender gemacht hatte. Seine Mutter war wieder aufgetaucht. Sie hatten schweigend zu Abend gegessen, nachdem Carla angeboten hatte, eine Flasche Wein dazu zu öffnen, doch weder Luke noch das Mädchen hatten eingewilligt. Luke, weil er entschlossen war, nichts zu unternehmen, das irgendwie nach Feiern aussah – in Wirklichkeit jedoch war ihm übel gewesen. Gütiger Gott, hatte das Mädchen nicht hier bei seinem Vater in der Küche gesessen? Jedenfalls hatte die Polizei das gesagt. Vielleicht sogar, soweit er wusste, hier an diesem Tisch? Und jetzt aß sie die gleichen Rühreier und Pilze und Tomaten, die an jenem Abend bereits in den Vorratsschränken und im Kühlschrank gelegen hatten! Während Lukes Mutter wie üblich nur an ihrem Essen pickte, war Luke fast daran erstickt. Er nahm an, dass sie im Crown Hotel nicht viel gegessen hatte, weil die Küche bescheiden war, wie jedermann wusste, doch wenn sie auch nur einen Hauch von Feingefühl besaß, dann …
»Das Frühstück ist bald fertig«, sagte er nun und zwang sich dazu, sie anzusehen. Seine Lippen bewegten sich kaum, als wären sie unwillig zu arbeiten und Worte zu formen.
»Irene ist extra gekommen, um uns zu helfen.« Kate trat zum Tisch und legte die Hände auf eine Stuhllehne.
»Ich möchte mit dir reden«, sagte sie mit ihrer klaren Stimme.
»Tu dir keinen Zwang an.« Seine Stimmung sank noch weiter, falls das überhaupt möglich war. Mit ihr reden war das Letzte auf der Welt, was er wollte. Er wusste nicht, ob er überhaupt dazu imstande war. Er wandte den Blick ab, doch aus den Augenwinkeln konnte er noch immer ihre Hände sehen, die auf der Holzlehne ruhten. Sie sahen klein und empfindlich aus. Aussehen kann täuschen, hieß es, und er fragte sich, wie stark diese Hände wirklich waren. Seine Nackenhaare richteten sich auf, als er sich vorstellte, wie sie eine Waffe gepackt hielten, hoch über den Kopf erhoben … Er wandte ihr den Rücken zu, damit sie sein Gesicht nicht sehen konnte. Sie nahm seine Bewegung als deutliche Ablehnung, und das kratzte an ihrem Panzer aus augenscheinlicher Ungezwungenheit.
»Du könntest mich wenigstens dabei ansehen!«, platzte sie heraus. Luke drehte sich langsam zu ihr um und bemerkte, dass ihr Gesicht unter der blonden Lockenpracht weiß war vor Zorn. In diesem Augenblick brach sich sein eigener Ärger Bahn, den er bisher so sorgfältig unter Kontrolle gehalten hatte.
»Hör zu!«, krächzte er.
»Ich hab dich nicht hierher eingeladen! Das hat meine Mutter getan! Ich spiele mit, weil es ihre Entscheidung ist und weil ich sie unterstütze. Ich weiß nicht, was du willst. Es ist mir verdammt nochmal egal! Was auch immer es ist, es kann warten. Meiner Mutter geht es nicht gut. Ich werde nicht zulassen, dass du sie belästigst oder ihr Kummer machst, hast du das kapiert? Und wenn du wagen solltest, dich bei ihr einzuschleimen und dir ihre Sympathien zu erschleichen, dann werde ich dem ein Ende bereiten!« Sehr leise, mit betonten Abständen zwischen den Worten, entgegnete sie:
»Ich – bin – deine – Schwester!« Und weniger erregt fügte sie hinzu:
»Ob dir das nun gefällt oder nicht, aber daran lässt sich nichts ändern. Du wirst dich daran gewöhnen müssen. Du und die Polizei, ihr alle! Wenn du glaubst, dass ich wieder von hier weggehe, vergiss es! Ich werde nicht gehen. Ich werde bleiben.« Luke ließ eine Gabel fallen und bückte sich, um sie aufzuheben.
»Ist das der Grund, warum du auf der Party nach unserem Spiel aufgetaucht bist? Um mir diesen Unsinn von einer angeblichen
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