Tote Kehren Nicht Zurück
sehr gemütliches Haus. Aber es ist nichts Außergewöhnliches, womit ich sagen will, dass es kein Zufluchtsort für einen Millionär ist. Tut mir Leid, aber mehr weiß ich auch nicht, und mir ist durchaus bewusst, dass meine Informationen keinen Schokoladenbiskuit wert sind.«
»Du darfst ihn trotzdem behalten«, sagte er im Tonfall eines Märchenonkels, der armen verirrten Kindern vergiftete Süßigkeiten anbietet. Er hatte eine ganze Schublade voll mit diesem Zeugs. Gerald begann regelmäßig Diäten, doch er hielt nie länger als eine Woche durch. Seine Mutter, die ihn abgöttisch liebte und gleichzeitig sehr besitzergreifend war, versicherte ihm unablässig, was für ein stattlicher Mann er doch sei, dank ihrer Ratschläge, gottlob.
»Dann hast du diese junge Frau nicht gesehen? Die aus dem Nichts aufgetaucht ist und behauptet, seine Tochter zu sein? Wie es heißt, soll sie ja umwerfend aussehen.« Es war ihr Pech, überlegte Meredith, dass sie von Natur aus ehrlich war. Sie war eine schlechte Lügnerin, und bevor ihr eine Antwort einfiel, die prinzipiell nicht gelogen war, aber doch nichts verriet, hatte Gerald ihren Gesichtsausdruck richtig interpretiert.
»Aha!«, sagte er, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben Meredith.
»Dann schieß mal los, komm, erzähl es mir.« Die Angelegenheit lastete Meredith noch immer so sehr auf der Seele, dass die Versuchung groß war, Gerald davon zu erzählen, um sich ein wenig Erleichterung zu verschaffen. Sie gab der Versuchung nach, nicht zuletzt weil sie wusste, dass Gerald trotz seiner Neugier verschwiegen war. Er liebte es, den neuesten Gerüchten zu lauschen, doch er gab sie nicht weiter. Das Bewusstsein, mehr zu wissen als andere, dämpfte die tief in ihm verwurzelten Gefühle von Unsicherheit, an denen nicht einmal die Aussicht auf eine stattliche Pension am Ende seines Arbeitslebens etwas hatte ändern können.
»Wenn ich dir etwas verrate, Gerald«, begann sie,
»wirst du es für dich behalten?« Gerald fuhr sich mit dem gestreckten Daumen über die Kehle.
»Ich habe sie am Donnerstagabend mitgenommen. Ich war auf dem Heimweg von diesem unsäglichen Lehrgang …«
»Überspring das mit dem Lehrgang«, unterbrach er sie, vorübergehend abgelenkt.
»Nimm’s nicht persönlich, aber das kannst du mir später alles noch erzählen. Sprich weiter.«
»Ich wusste nicht, wer sie war. Es war spät und schon fast dunkel, und sie marschierte allein über die einsame Straße, eine hübsche junge Frau. Also hielt ich an und erbot mich, sie mitzunehmen.«
»Warum bloß treffe ich nie auf hübsche junge Frauen, die spät am Abend allein über Landstraßen wandern?«, seufzte Gerald.
»Weil du nicht auf dem Land wohnst, deshalb, Gerald. Du wohnst in Golders Green. Jedenfalls, sie hat mich gebeten, sie vor Tudor Lodge abzusetzen, und das tat ich dann auch. Es war spät, ich war auf dem Heimweg und hoffte, den Abend gemeinsam mit Alan zu verbringen. Ich bin nicht stehen geblieben und habe gewartet, was sie als Nächstes tut. Allerdings gestehe ich, dass ich ein ungutes Gefühl hatte, und das nicht erst im Nachhinein, glaub mir. Das habe ich auch schon Alan erzählt, als wir uns kurze Zeit später getroffen haben.«
»Ah, der liebeskranke Polizist. Was hält er denn von der Geschichte?« Meredith setzte sich auf und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Okay, Gerry, das war’s. Ich werde dir kein Wort mehr verraten. Und du kannst dir deinen Schokoladenbiskuit meinetwegen sonst wohin stecken!« Gerald hob mahnend den Zeigefinger, doch er kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und setzte sich. Er wirkte sehr zufrieden mit sich und der Welt. Pearce sah alles andere als zufrieden aus, als er sich am gleichen Morgen bei Markby zum Dienst meldete. Ihm entging allerdings nicht, dass der Superintendent außerordentlich gut gelaunt wirkte. Kein Wunder, oder?, grollte eine innere Stimme wenig mitfühlend.
»Wir haben nichts gefunden«, berichtete er zerknirscht.
»Wir haben mehr als dreißig Werkzeuge und andere Gegenstände beschlagnahmt und zur Spurensicherung gebracht. Die Jungs von der Forensik sind nicht allzu erfreut darüber, aber das brauche ich Ihnen wohl nicht zu erzählen. Sie haben mehr oder weniger deutlich gesagt, dass wir lange auf die Ergebnisse warten können. Es könnte Wochen dauern! Offen gestanden, keines von diesen Werkzeugen sah meiner Meinung nach aus, als könnte es diese eigenartigen Wunden verursacht haben. Auf der anderen
Weitere Kostenlose Bücher