Tote Kehren Nicht Zurück
möglicherweise nur stehen konnte. Penhallow hatte sie in dieser Absteige von einem Hotel einquartiert, in dieser elenden Umgebung, und das, obwohl sie nur das Allerbeste verdiente. Es war wohl nur ein weiteres Stelldichein von vielen in einem kleinen, unauffälligen Hotel gewesen. Und diese wundervolle Frau hatte ihm als Gegenleistung ihre Jugend und ihre Lieblichkeit geschenkt. Die Ungleichheit dieses Austauschs erschien Prescott nahezu kriminell. In diesem Augenblick hasste er Andrew Penhallow. Doch in den Augen der jungen Frau leuchtete eine weitere Emotion auf.
»Er hat die Polizei geschickt, um mich loszuwerden?«, stieß sie ungläubig hervor. Sie schien sich zu winden bei dem Gedanken, doch eine Sekunde später warf sie ihre sonnenverbrannte Mähne zurück und verwandelte sich in eine Walküre. Mit blitzenden Augen rückte sie gegen Prescott vor, der in den Korridor zurückwich.
»Er hat Sie geschickt? Er hat Sie geschickt, um mir zu sagen, dass ich ihn in Ruhe lassen soll? Ist das der Grund, aus dem er nicht hergekommen ist heute Morgen, wie er es versprochen hat?« Die unglaubliche Verachtung in ihrer Stimme brach den Bann, unter dem Prescott vom ersten Augenblick an gestanden hatte. Er war zwar noch immer von ihrer Persönlichkeit überwältigt, doch seine Ausbildung und sein Training kamen ihm zu Hilfe. Es verwandelte ihn zurück in einen Polizeibeamten in Ausübung seiner Pflicht und schützte ihn vor den vernichtenden Auswirkungen ihrer Verachtung.
»Miss Drago«, sagte er standhaft und mit fester Stimme.
»Darf ich hereinkommen? Ich muss mit Ihnen reden. Wir können natürlich auch nach unten gehen und uns in der Lounge unterhalten, doch es wäre wirklich besser, wenn wir unter vier Augen sprechen könnten.« Das Zimmermädchen war beim Klang ihrer erhobenen Stimmen aus Nummer vier gekommen und stand nun im Gang, ein Bündel Laken auf dem Arm, und gaffte sie an. Die junge Frau sah zu dem Zimmermädchen, dann zu Prescott.
»Also gut«, sagte sie ärgerlich.
»Kommen Sie rein, wenn es denn unbedingt sein muss. Ich habe nicht die Absicht, mich hier zu einer Attraktion für Gaffer zu machen.« Zimmer Nummer sechs war genauso trostlos wie Nummer vier, was Mobiliar und Einrichtung anging, doch es erstrahlte unter ihrer Anwesenheit. Sie ging zum Fernseher und schaltete den Apparat ab. Dann wandte sie sich um, warf sich in den einzigen Sessel, schlug die Beine übereinander, legte die Arme auf die Lehnen und sah Prescott an. Sie lud ihn nicht ein, Platz zu nehmen. Prescott schloss übertrieben vorsichtig die Tür und sah sich um. Unglücklicherweise nahm das breite Doppelbett den größten Teil des Raumes ein, und so sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht, daran vorbeizusehen. Neben der Kommode stand ein kleiner Holzstuhl, und darauf ließ er sich nieder. Er wusste, dass er lächerlich aussah, schlimmer noch als im Wohnzimmer von Mrs Joss. Sie sagte nichts und – Gott sei Dank! – lachte auch nicht. Verlegen erkundigte er sich:
»Dürfte ich bitte Ihren vollen Namen erfahren?«
»Katherine Louise Drago. Wollen Sie das aufschreiben?« Sie hob die Augenbrauen, und um ihre Mundwinkel war eine Spur von Zucken. Prescott, der nach seinem Notizblock gekramt hatte, lief puterrot an.
»Können Sie sich ausweisen, Miss Drago?«, fragte er. Sie dachte nach.
»Nein. Warum sollte ich mich ausweisen müssen?«
»Haben Sie keinen Führerschein dabei? Einen an Sie adressierten Brief?« Sie blickte sich im Zimmer um und deutete auf ihre khakifarbene Umhängetasche, die in einer Ecke lag.
»Vielleicht ist da etwas Geeignetes drin.« Prescott spürte, wie er angesichts ihrer aufreizenden Lässigkeit ärgerlich wurde.
»Würden Sie bitte nachsehen?«, verlangte er. Sie stand auf und holte die Tasche. Nachdem sie eine Weile darin herumgekramt hatte, brachte sie einen kleinen Ausweis mit dem Blutspenderlogo zum Vorschein. Prescott nahm ihn entgegen. Es gab keine Anschrift, doch der Name der Inhaberin lautete Katherine Drago, und sie spendete regelmäßig Blut. Prescott gab ihr den Ausweis zurück.
»Dürfte ich fragen, was Sie hier in Bamford machen, Miss Drago?«
»Selbstverständlich dürfen Sie«, erwiderte sie zuckersüß.
»Und ich darf mich gleichermaßen weigern, Ihre Frage zu beantworten.« Sie ließ den Blutspenderpass in ihre Tasche fallen.
»Warum sollten Sie das tun, Miss Drago?«
»Warum sollte Sie das etwas angehen, Sergeant … ich habe Ihren Namen
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