Tote Kehren Nicht Zurück
selbstsicher wirkten und zurechtkamen. Vielleicht, dachte Markby, vielleicht fehlt Emma das Gleiche wie dieser jungen Frau hier, ein klein wenig Sinn für Humor. Beide sind so todernst. Er bereute das letzte Wort, kaum dass er es gedacht hatte. Kate setzte ihre Erzählung fort.
»Nachdem ich geboren war, übernahm er in gewisser Weise die finanzielle Verantwortung für mich. Er hat Mutter nie direkt Geld gegeben. Dazu war er zu clever. Doch er achtete darauf, Geld zu schicken, weil selbst jemand wie Mum eine Menge Ärger gemacht hätte, würde er sich geweigert haben. Sie hatte kein Geld, und Babys kosten eine Menge. Er half ihr, eine kleine Galerie zu kaufen – eine Art Touristenfalle –, und gab ihr von da an regelmäßig ›Kredite‹, die nie zurückgezahlt wurden. Mum hielt es für richtig. Sie war so vertrauensselig. Sie war überzeugt, dass er sein Bestes tat. Später bezahlte er für meine Privatschule. Es war eine Tagesschule, von Nonnen geführt, bei uns in der Gegend. Mum wollte es so. Sie wollte, dass ich jeden Tag nach Hause kam. Aber in Wirklichkeit wurde ich deswegen nicht auf ein Internat geschickt, weil dort immer die Möglichkeit bestand, dass ich die Tochter eines seiner Kollegen kennen lernte, verstehen Sie?« Sie verzog abschätzig den Mund.
»Er war kein Dummkopf.« Markby war anderer Meinung, doch das sagte er nicht. Wenn Penhallow kein Dummkopf gewesen war, dann doch extrem kurzsichtig. Er musste doch erkannt haben, dass früher oder später der Tag der Wahrheit kommen und die ganze Geschichte ans Licht treten würde! Er hatte offensichtlich nichts unternommen, um sich auf diesen Tag vorzubereiten. Er hatte voll und ganz darauf vertraut, dass seine früheren Arrangements die Leute an der Nase herumführten. Kate dachte offensichtlich das Gleiche.
»Ich weiß nicht, wie es seiner Meinung nach hätte weitergehen sollen, wenn Mum älter und ich erwachsen war. Ich glaube, er hat sich geweigert, darüber nachzudenken. Selbst als bei Mum Krebs festgestellt wurde, schien er nicht zu begreifen, wie ernst es stand. Der Krebs wurde zu spät entdeckt, und man konnte ihn nicht mehr effektiv behandeln. Sie beschloss, sämtliche Behandlungen abzubrechen, als ihr klar wurde, dass es nicht mehr besser werden würde. ›A11 diese Schmerzen, für nichts!‹, sagte sie. ›Ich will nicht in einem Krankenhausbett sterben! Ich will zu Hause sterben, wo ich von meinem Schlafzimmerfenster aus das Meer sehen und hören und die Wellen riechen kann!‹ Und das hat sie dann auch gemacht.« Die Stimme der jungen Frau klang kühl und sachlich, doch das Trauma der letzten schmerzerfüllten Wochen ihrer Mutter hatte sich tief in ihre Seele gebrannt. Markby fragte sich, ob Kate Drago überhaupt eine Chance gehabt hatte, richtig um ihre Mutter zu trauern, eine verständnisvolle Schulter, an der sie alles herauslassen und sich von der Seele weinen konnte. Nicht Andrew Penhallow, so viel schien festzustehen. Und mit der unterdrückten Trauer war die unterdrückte Wut gekommen. Der Wunsch, irgendjemandem die Schuld zu geben für die Grausamkeit des Schicksals. Wer lag als Hassgestalt näher als der Mann, der ihre Mutter geliebt und trotzdem verlassen hatte?
»Er kam nicht zu ihrer Beerdigung«, fuhr Kate Drago fort.
»Er war unterwegs in Europa, und es tat ihm ja so Leid, dass er nicht kommen konnte. Er hat einen prächtigen Kranz geschickt mit einer förmlichen Karte daran: ›Zum Gedenken an eine liebe Freundin aus Kindertagen‹, stand darauf! Ich hätte ja nicht von ihm erwartet, dass er ›Geliebte‹ oder ›Mätresse‹ oder ›Mutter meines Kindes‹ schreibt, aber ein wenig mehr Mühe hätte er sich wirklich geben können, meinen Sie nicht?« Ja, dachte Markby. Sie ist verletzt, verbittert und sehr, sehr wütend auf ihren Vater.
»Ein paar Wochen später kam er nach Cornwall, um mich zu besuchen. Er führte mich zum Essen aus, in einen Pub, und erkundigte sich nach meinen Plänen für die Zukunft.« Kate Drago atmete tief durch.
»Er war so unbekümmert, dass es zum Himmel schrie! Als wäre ich nicht seine Tochter. Ich wurde unglaublich wütend. Ich sah ihn nur böse an und fragte ihn, was er denn nun gedächte, wegen meiner Zukunft zu unternehmen. Das erschreckte ihn. Er wurde zuerst blass, dann rot.« Zum ersten Mal schwang in Kates Stimme eine Spur von Amüsiertheit mit, doch es war mehr Schadenfreude als wirklicher Humor.
»Er bestellte sich einen weiteren Whisky. Dann hielt er mir eine Rede,
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