Tote Kehren Nicht Zurück
Kate.«
»Ich dachte, du wärst ein Freund!«, ächzte sie.
»Das bin ich auch, Kate! Aber weil ich nicht nur dein Freund, sondern auch dein Anwalt bin, versuche ich vorauszuschauen, mich darauf vorzubereiten, wenn sie kommen. Das musst du doch sehen!« Sein Ton war fast ein Flehen.
»Was ich sehe«, erwiderte sie mit leiser, bebender Stimme,
»ist, dass du glaubst, ich hätte es getan, genau wie die Polizei. Du glaubst, ich hätte meinen Vater ermordet.«
KAPITEL 10
DAS TOR gab ein leises protestierendes Knarren von sich, als Meredith es aufdrückte. Vor ihr lag Tudor Lodge. Die großen Steinblöcke leuchteten in der tief stehenden Nachmittagssonne in satten Honigfarben. Das helle Licht betonte ihre genarbte, verwitterte Struktur und ließ deutlich erkennen, wo in viktorianischer Zeit Erweiterungen vorgenommen worden waren. Der Hintergrund aus alten Bäumen und Büschen bildete einen starken, schattigen Kontrast zum Gebäude. Wie leicht es wäre, dachte Meredith, sich in dem Gewirr dort zu verstecken und die Rückseite des Hauses zu beobachten. Die Vorderseite stellte einen heimlichen Beobachter vor weit größere Probleme – er würde auf der Rasenfläche oder draußen auf der Straße lauern müssen, für alle Welt sichtbar. Meredith versuchte sich das Haus vorzustellen, wie sie es am Donnerstagabend gesehen hatte, als ihre Beifahrerin vor Tudor Lodge ausgestiegen war. Vorne hatten keine Lichter gebrannt, doch die Bäume im Hintergrund waren von unten erhellt gewesen, was die Vermutung nahe gelegt hatte, dass auf der Rückseite jemand war, wahrscheinlich in der Küche. Meredith sah zu den Reihencottages ein Stück weiter die Straße hinunter. Das am nächsten stehende besaß ein Fenster mit Ausblick auf Tudor Lodge. Es war offensichtlich das Haus, das der alten Lady gehörte, Mrs Joss, die, wie Markby erzählt hatte, in Sergeant Prescott die feste Überzeugung hervorgerufen hatte, mit der ortsansässigen Hexe gesprochen zu haben. Falls Mrs Joss in der Nacht aufgestanden war und aus dem Schlafzimmerfenster geblickt hatte, wäre sie dann imstande gewesen, über die Mauer hinweg in den Garten von Tudor Lodge zu sehen? Nein, dachte Meredith. Die Bäume wären im Weg gewesen. Sie seufzte leise. Eine unbeteiligte Zeugin wäre genau das, was die Polizei brauchte. Zugleich war Meredith selbst Zeugin in diesem Fall, denn sie hatte die mysteriöse Besucherin vor Tudor Lodge abgesetzt. Mehr als je zuvor bedauerte sie nun, nicht wenigstens so lange gewartet zu haben, bis sie sehen konnte, ob die junge Frau zum Vorder- oder zum Hintereingang marschierte. Doch ihre letzte Erinnerung war, wie die geschmeidige Gestalt selbstbewusst die Auffahrt hinauf stapfte. Weit weniger selbstbewusst ging Meredith nun selbst über den Weg zum Haus. Kaum war sie vor der Vordertür angekommen, tauchte jemand an der Ecke des Hauses auf und rief:
»Guten Tag! Kann ich Ihnen irgendwie helfen?« Sie wandte sich um in dem Glauben, dass es sich um einen Beamten der Bamforder Polizei handelte, doch zu ihrer Überraschung stand sie vor einem misstrauisch dreinblickenden jungen Mann in Jeans und Pullover.
»Sie sind Luke, nicht wahr?«, fragte Meredith, als ihr dämmerte, um wen es sich handeln musste.
»Ich bin Meredith Mitchell. Erinnern Sie sich an mich? Wir haben uns schon einmal gesehen.« Die Falten verschwanden von der Stirn des jungen Mannes, und er kam ihr mit ausgestreckter Hand entgegen. Sein Händedruck war fest, die Haut ledrig.
»Ja, natürlich erinnere ich mich. Bitte entschuldigen Sie, wenn mein Tonfall scharf klang. Ich dachte im ersten Augenblick, Sie wären von der Presse. Rings um das Haus lauert die Presse auf uns.« Die letzte Bemerkung war von einer vielsagenden Grimasse begleitet.
»Wie geht es Carla?«, fragte Meredith.
»Ich war mir nicht sicher, ob ich sie besuchen soll oder nicht. Ich kann wieder gehen, wenn Sie meinen, dass es besser ist.« Luke zuckte die breiten Schultern.
»Sie hält sich ziemlich gut unter den gegebenen Umständen. Nein, gehen Sie nicht. Vielleicht können Sie Mutter ein wenig aufmuntern. Das Dumme ist nämlich, sie will nicht noch mehr Kummer auf mich abwälzen, wie sie es nennt, und so bemüht sie sich, mich zu trösten, während ich versuche, sie zu trösten.« In seiner Stimme schwang ein Unterton von Verzweiflung mit. Meredith wählte ihre Worte mit Bedacht.
»In der Stadt kursieren ein paar wilde Gerüchte. Ich weiß nicht, ob Ihnen schon etwas davon zu Ohren gekommen ist.
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