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Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)

Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)

Titel: Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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holen. Wahrscheinlich ist das der Moment, in dem Mister Rotschuh sich in das Amphitheater schleicht– wie, wissen wir nicht. Als Königin und Animateur-Koko mit Clown-Koko wiederkommen, treffen sie nur den Brigadier an, sonst keinen: weder King noch Mister Rotschuh. Die beiden können nicht vor 18 Uhr hinausgegangen sein, sonst hätte der Türke sie gesehen. Aber später können sie auch nicht gegangen sein, sonst hätten die Boule-Spieler sie gesehen. Nicht zu vergessen der Henker, der auch hat drinnen bleiben müssen. Am Ende des Tages gibt es dann ein unüberschaubares Zeitfenster: Es ist die Zeit, zu der viele Kokos, Kikis und Heydudas durch die zona privada gehen, um sich zu erfrischen oder sich vor dem Essen umzuziehen. In diesem Moment wäre es schwierig gewesen, die Treppe zu benutzen, die zum Amphitheater führt, ohne bemerkt zu werden. Das alles bringt uns zu 20.30 Uhr, als Animateur-Koko King am großen Mast hängen sieht und ihn für eine Puppe hält. Ende der Vorstellung. Es war alles für die Katz. Ich gebe auf.«
    » Bei Katz fällt mir ein: Ich habe heute Morgen den Tierpräparator angerufen.« Willy begegnete dem Blick seiner Kommissarin und begriff, dass er sich aufs Glatteis begab. Er beugte sich über die Zeichnung, die Viviane gemacht hatte. Sie hatte noch Pfeile, Fragezeichen und anderes Gekritzel hinzugefügt. Der Lieutenant besah sich das Werk mit der ernsten und gottesfürchtigen Miene eines Besuchers der Internationalen Kunstmesse: Es musste darin etwas zu verstehen geben. Erstaunlich war, dass er wirklich etwas fand. » Wo ich so Ihr Bild ansehe, kommt mir eine Idee, Commissaire. Wenn bei einer Aufführung zu viele Figuren vorkommen, erzählt man sich hier, dass ein und derselbe Schauspieler mehrere Rollen spielt. King, Mister Rotschuh und der Henker waren vielleicht eine Person. Stellen wir uns vor, King ist, ich weiß nicht wie, zum Belvedere gegangen, um sich dort auf ein Stelldichein mit seiner Frau zu treffen. Dort hätte er dann seine roten Sportschuhe stehen lassen und wäre ins Amphitheater zurückgekehrt. Als er sie später holen wollte, hat er sich das Henkerskostüm übergeworfen, um unerkannt zu bleiben. Da tötet ihn der Mörder, der schon auf ihn gewartet hat. Ich weiß, das klingt vielleicht blöd, aber es funktioniert.«
    » Es funktioniert gar nicht, Willy. Erklären Sie mir Ihr ›ich weiß nicht wie‹: Können Sie sich vorstellen, dass King mit seinen hundertzwanzig Kilo hier ein und aus geht wie bei einem Possenspiel? Mit einer schiefen Leiter? Selbst Sie fänden das gewagt.«
    Willy machte ein mürrisches Gesicht, gab sich aber noch nicht geschlagen. » Ich habe eine andere Idee, eine einfachere: Und wenn King Königin ganz nackt in Begleitung von Mister Rotschuh erspäht hätte, als er auf dem Mast stand, um den Scheinwerfer abzuschrauben?«
    Viviane antwortete nicht. Sie verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Wand. Das war eine Idee, die nichts erklärte, die Sache sogar noch komplizierter machte, ihr aber vielversprechend erschien. » Weiter Willy, die Sache interessiert mich.«
    Der Lieutenant schüttelte kleinlaut den Kopf. Er wusste keine Fortsetzung. Viviane tröstete ihn. Sie würden eine finden, sie würden noch am selben Nachmittag ins Amphitheater gehen. Dann erzählte sie ihm von ihrer Unterredung mit Königin, und Willy machte große Augen.
    » Ein Gehängter mit Ohrringen? Das kann nur von einer Frau kommen, kein Mann würde je daran denken, so etwas zu zeichnen.«
    » Sagen Sie mir jetzt nicht, dass Sie nicht bemerkt haben, welche Ohrringe ich gestern im Nachtclub getragen habe?«
    » Sie haben Ohrringe getragen?«
    Viviane verlangte die Rechnung, bezahlte die vier Posten darauf– der Cocktail war nicht nur teuer, sondern lag ihr auch schwer im Magen– und machte sich mit ihrem Lieutenant auf zum Mittagessen. Sie folgten der Horde der Touristen, die zum Platz hinabgingen. Die Restaurants kündigten alle das gleiche Menü an. Sie wählten per Zufallsprinzip eines aus, setzen sich auf die Terrasse und bestellten Moussaka und Wasser. Viviane hätte sich lieber zurückgezogen, um in Ruhe nachzudenken. Aber Willy sah sie mit seinem Unschuldsblick an und erwartete ihre Ideen und subtilen Fragen. Alles, was ihr einfiel, war: » Und, was macht der Zehnkampf?«
    Er redete sich in Fahrt, sie konnte nachdenken. Es genügte, ihrem Lieutenant zuzulächeln und dabei einen interessierten Gesichtsausdruck zur Schau zu stellen.
    » Für die Sprünge habe ich

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