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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Spürhunde.
    »Um wieviel Uhr?« fragte ich mit zitternder Stimme. Meine Trauer um Gabby war schon jetzt unerträglich.
    »Ich dachte um sieben.«
    »Machen Sie sechs Uhr draus.«
    »Gut, um sechs. Soll ich Sie abholen?«
    »Ja, bitte.«
    Ryan zögerte einen Augenblick. »Es kann ja sein, daß ihr nichts passiert ist«, sagte er dann.
    »Ja.«
    Ich machte mich wie üblich zum Zubettgehen fertig, obwohl ich genau wußte, daß ich nicht würde schlafen können. Zähne putzen. Gesicht waschen. Hände eincremen. Nachthemd anziehen. Dann lief ich ruhelos von einem Zimmer ins andere und versuchte, nicht an die Frauen an den Pinwänden zu denken. Nicht an die Tatortphotos, nicht an die Autopsieberichte. Und nicht an Gabby.
    Ich rückte hier ein Bild gerade, dort eine Vase zurecht und pickte Fusseln vom Teppich auf. Dann war mir kalt, und ich machte mir eine Tasse Tee und schaltete die Klimaanlage eine Stufe zurück. Ein paar Minuten später drehte ich sie wieder voll auf. Birdie, dem mein zielloser Aktionismus auf die Nerven ging, zog sich ins Schlafzimmer zurück. Aber ich konnte nicht anders. Das Gefühl der Hilflosigkeit angesichts des nahenden Grauens war einfach unerträglich.
    Gegen zwei Uhr früh legte ich mich auf die Couch, schloß die Augen und versuchte, mich zu entspannen. Ich konzentrierte mich auf die Geräusche der Nacht. Den Kompressor der Klimaanlage. Einen Krankenwagen draußen auf der Straße. Leise Schritte in der Wohnung über mir. Wasser, das durch die Leitungen gurgelte. Knarzendes Holz.
    Mein Gehirn schaltete in den visuellen Modus um. Bilder stiegen auf, schwebende Bilder wie in einer Traumszene aus Hollywood. Ich sah Chantale Trottiers karierten Pullover. Morisette-Champouxs aufgeschlitzten Unterleib. Den verwesenden Kopf, der einmal Isabelle Gagnon gehört hatte. Eine abgetrennte Hand. Eine abgeschnittene Brust zwischen leichenbleichen Lippen. Einen toten Affen. Eine Statue. Einen Gummisauger. Ein Messer.
    Ich konnte nicht anders, ich erschuf einen Film des Todes und quälte mich mit dem Gedanken, daß Gabby darin möglicherweise auch eine Rolle spielte. Als es draußen langsam hell wurde, stand ich auf.

34
    Die Sonne war kaum aufgegangen, als wir Gabbys Leiche fanden. Margot hatte uns ohne Zögern direkt zu ihr hingeführt. Als sie hinter dem Sperrholzzaun von der Leine gelassen wurde, schnupperte sie kurz und rannte dann quer über das mit Bäumen überwucherte Grundstück. Die gelbliche Morgensonne glänzte auf ihrem Fell und dem feuchten Sand unter ihren Pfoten.
    Das Grab lag innerhalb der Grundmauern eines abgerissenen Hauses. Es war flach, rasch ausgehoben und hastig zugeschüttet. So wie die anderen auch. Aber diesmal hatte der Mörder dem Grab einen persönlichen Touch gegeben, indem er es mit einem Oval von Ziegelsteinen umgeben hatte.
    Eine Stunde nach Entdeckung des Grabes lagen Gabbys sterbliche Überreste in einem Leichensack. Wir hatten den Fundort mit Sägeböcken und dazwischen gespanntem gelbem Absperrband gesichert, was aber eigentlich nicht nötig war. Die frühe Stunde und der Sperrholzzaun waren Sicherung genug, und so war nicht ein einziger Schaulustiger zugegen, als die Spurensicherung die Leiche ausgrub und ihr makabres Handwerk ausübte.
    Ich saß dabei in einem Streifenwagen und trank kalten Kaffee aus einem Styroporbecher. Das Funkgerät krächzte, und um mich herum wirbelte der ganz normale Tatortzirkus. Eigentlich war ich hergekommen, um meine Arbeit zu tun, aber ich konnte einfach nicht. Die anderen würden ohne mich auskommen müssen. Vielleicht würde mein Gehirn später die Botschaften verarbeiten, die es jetzt nicht aufzunehmen bereit war. Im Augenblick jedoch war es wie betäubt. Am liebsten hätte ich das Bild von Gabbys mit blauen Flecken übersäter und aufgedunsener Leiche verdrängt, die unter der dünnen Schicht sandigen Bodens zum Vorschein gekommen war, aber es gelang mir nicht. Ich hatte sofort die silbernen Ohrringe erkannt, die den indischen Gott Ganesch zeigten. Jetzt sah ich Gabby vor mir, die mir erzählte, was es mit dem kleinen Elefanten auf sich hatte. Es war ein freundlicher Gott. Ein glücklicher Gott.
    Kein Gott für Schmerzen und Tod. Wo warst du, Ganesch? Warum hast du deine Freundin nicht beschütz? Warum hatte keiner von ihren Göttern Gabby beschützt? Das tat weh. Verdrängen.
    Nachdem ich die Leiche identifiziert hatte, war Ryan mit der Untersuchung fortgefahren. Jetzt sah ich aus meinem Streifenwagen heraus, wie er mit Pierre Gilbert

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