Tote Maedchen luegen nicht
lassen, um mich mit ihr zu treffen.
Ich nahm Platz und legte eine Hand auf die Tischplatte. »Einer für alle - alle für einen!«
Sie ließ stillschweigend ein Blatt Papier auf den Tisch fallen. Dann schob sie es mir entgegen und drehte es um, damit ich es lesen konnte. Aber das wäre gar nicht nötig gewesen. Denn ich hatte es schon einmal verkehrt herum gelesen, als es auf Jimmys Tisch lag: WER IST HEISS? WER NICHT?
Ich wusste bereits, auf welcher Seite der Tabelle Alex meinen Namen eingetragen hatte. Und das Mädchen, deren Name auf der anderen Seite stand, saß mir nun leibhaftig gegenüber. Ausgerechnet in unserer sogenannten Oase. Hier hatten wir gemeinsam Schutz gesucht. Ich sie... und Alex.
»Ach komm...«, sagte ich, »das bedeutet doch nichts!«
Ich muss heftig schlucken. Nachdem ich die Liste gelesen hatte, habe ich sie einfach weitergegeben, ohne groß darüber nachzudenken. Irgendwie fand ich das damals lustig.
»Hannah!«, sagte sie. »Es ist mir egal, dass er dir den Vorzug gibt.«
Ich wusste genau, worauf sie hinauswollte, und hatte nicht die geringste Lust, mich darauf einzulassen.
Und jetzt? Wie finde ich es jetzt?
Ich hätte mir jede Kopie besorgen und alle zusammen in den Müll werfen sollen.
»Er hat mir nicht den Vorzug gegeben«, sagte ich zu ihr.
»Er hat meinen Namen nur benutzt, um sich an dir zu rächen, das weißt du ganz genau. Er wusste, dass dich mein Name mehr verletzen würde als jeder andere.«
Sie schloss die Augen und flüsterte meinen Namen mit Nachdruck: »Hannah!«
Weißt du noch, Jessica? Ich schon.
Wenn jemand auf diese Art und Weise deinen Namen sagt und dich dabei nicht mal ansieht, dann hast du keine Chance mehr. Dann ist die Entscheidung gefallen.
»Ich weiß doch, was geredet wird, Hannah!«, sagte sie.
»Geredet wird viel«, entgegnete ich. Vielleicht war ich ein bisschen überempfindlich, aber ich hatte in meiner Einfalt geglaubt, dass es mit den Gerüchten ein Ende haben würde, nachdem wir hierhergezogen waren. Dass ich den ganzen Klatsch und Tratsch endgültig hinter mir gelassen hätte.
»Das Gerede muss noch lange nicht der Wahrheit entsprechen«, sagte ich.
Du wiederholtest meinen Namen. »Hannah!«
Natürlich kannte ich die Gerüchte. Und ich habe dir geschworen, dass ich Alex kein einziges Mal außerhalb der Schule getroffen habe. Aber du wolltest mir nicht glauben.
Warum auch? Warum sollte irgendjemand einem Gerücht misstrauen, das so wunderbar mit dem früheren Gerede zusammenpasste? Nicht wahr, Justin?
Jessica hätte so viele Gerüchte über Alex und Hannah hören können. Doch keines von ihnen entsprach der Wahrheit.
Jessica sah in mir lieber die böse Hannah als die Hannah, die sie im Monet’s kennengelernt hatte. Das war leichter zu akzeptieren. Leichter zu verstehen.
Für sie mussten die Gerüchte einfach wahr sein.
Ich weiß noch genau, wie sich Alex mit ein paar Jungs zusammen
in der Umkleide amüsiert hat. Wer Hannah Baker heißt, der lässt sich natürlich schnell vernaschen, sagten sie und gratulierten Alex zu seiner Eroberung.
Nachdem die anderen Jungs abgezogen waren, blieben Alex und ich allein in der Umkleide zurück. Ihr Gerede hatte mir einen Stich gegeben. Seit Kats Abschiedsparty ging mir Hannah nicht mehr aus dem Kopf. Doch ich traute mich nicht, Alex zu fragen, ob es stimmte, was sie da eben gesagt hatten. Denn falls es stimmte, wollte ich es lieber nicht wissen.
Während er sich die Schuhe schnürte, stritt Alex alles ab, ohne mich eines Blickes zu würdigen. »Ach, das war doch nur so dahergeredet.«
»Ich danke dir, Jessica«, sagte ich, »dass du mich in den ersten Wochen so unterstützt hast. Das hat mir viel bedeutet. Und es tut mir leid, dass sich Alex den Quatsch mit der Liste ausgedacht hat.«
Ich versicherte ihr, dass Alex damals im Monet’s nicht mich angestarrt hätte, sondern sie, und dass ich sogar auf sie eifersüchtig gewesen wäre. Und wenn es ihr helfen würde, über die Sache hinwegzukommen, dann wollte ich gern alle Schuld auf mich nehmen, dass unser kleiner Kreis auseinandergebrochen war. Doch müsse sie mir unbedingt glauben, dass an den Gerüchten nicht das Geringste dran sei!
Ich erreiche das Monet’s.
Zwei Jungs lehnen draußen an der Mauer. Einer raucht eine Zigarette, der andere hat sich tief in seiner Jacke vergraben.
Doch Jessica hörte anscheinend nur, dass ich die Schuld auf mich nahm.
Sie stand auf, starrte auf mich herab - und ließ plötzlich ihren Arm nach vorne
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