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Tote Maedchen luegen nicht

Titel: Tote Maedchen luegen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Asher Knut Krueger
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schnellen.

    Was hattest du eigentlich vor, Jessica? Wolltest du mich schlagen oder kratzen? Denn es fühlte sich an wie eine Kombination aus beidem. Als hättest du dich nicht richtig entscheiden können.
    Und wie hast du mich genannt? Spielt ja eigentlich keine Rolle mehr, aber der Ordnung halber sollten wir es festhalten. Weil ich zu sehr damit beschäftigt war, mich zu ducken und deinen Schlag abzuwehren - was mir leider nicht richtig gelungen ist -, habe ich leider nicht genau verstanden, was du gesagt hast.
    Der kleine Kratzer über meiner Augenbraue, den ihr alle gesehen habt, der stammt von Jessicas Fingernagel.
    Ich habe den Kratzer vor ein paar Wochen bemerkt. Auf der Party. Ein winziger Makel in einem hübschen Gesicht. Und ich sagte ihr, wie süß das aussehe.
    Aber vielleicht ist er euch ja gar nicht aufgefallen. Ich habe ihn allerdings jeden Morgen gesehen, wenn ich mich für die Schule fertig gemacht habe. »Guten Morgen, Hannah!«, hat er immer zu mir gesagt und »Schlaf gut!«, wenn ich ins Bett ging.
    Ich stoße die schwere Eingangstür des Monet’s auf. Warme Luft schlägt mir entgegen. Alle Gäste drehen sich verärgert zu mir um, weil ich die Kälte hereinlasse. Ich schlüpfe hinein und ziehe die Tür hinter mir zu.
    Doch es war mehr als ein Kratzer. Es war ein Schlag ins Gesicht. Es war wie ein Messer in meinem Rücken, weil du lieber irgendwelchen aus der Luft gegriffenen Gerüchten geglaubt hast als deinem eigenen Eindruck.
    Jessica, Schätzchen, ich wüsste zu gern, ob du dich dazu aufgerafft hast, zu meiner Beerdigung zu kommen. Hast du die Narbe gesehen, falls du dort warst?

    Und ihr alle - habt ihr die Narben gesehen, die ihr geschlagen habt?
    Nein, bestimmt nicht.
    Wie sollten wir?
    Denn die meisten sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen.
    Es gab keine Beerdigung, Hannah.

KASSETTE 2: SEITE B
    Hannah zu Ehren sollte ich eine heiße Schokolade bestellen. Im Monet’s servieren sie sie mit kleinen Marshmallows, die auf der Oberfläche schwimmen. Ich kenne kein anderes Café, das dasselbe macht.
    Doch als mich die Bedienung fragt, bestelle ich einen Kaffee, weil ich knapp bei Kasse bin. Die heiße Schokolade kostet einen ganzen Dollar mehr.
    Sie schiebt einen Becher über die Theke und deutet auf den Selbstbedienungsautomaten. Ich bedecke den Boden des Bechers mit Kaffeesahne und fülle mit Hairy Chest Blend auf - das hört sich nach viel Koffein an und sollte es mir ermöglichen, so lange aufzubleiben, bis ich alle Kassetten gehört habe.
    Ich habe das Gefühl, dass ich das tun muss, in dieser Nacht.
    Oder sollte ich mich lieber auf meine eigene Geschichte konzentrieren und der Kassette danach nur so weit lauschen, bis ich weiß, an wen ich alles weiterleiten soll?

    »Was hörst du da?«, fragt das Mädchen hinter der Theke. Sie steht jetzt neben mir und überprüft, ob die kleinen Behälter aus Edelstahl, in denen sich Kaffeesahne, Magermilch und Sojamilch befinden, noch ausreichend gefüllt sind. Die schwarzen Linien eines Tattoos steigen aus ihrem Kragen auf und verschwinden in den kurz geschorenen Haaren.
    Ich werfe einen Blick auf den gelben Kopfhörer, der um meinen Hals hängt. »Nur ein paar Kassetten.«
    »Musikkassetten?« Sie nimmt die Kanne mit Sojamilch und hält sie sich gegen den Bauch. »Irgendwas, das ich kenne?«
    Ich schüttele den Kopf und lasse drei Zuckerwürfel in meinen Kaffee fallen.
    Sie klemmt sich das Kännchen unter den anderen Arm und streckt die Hand aus. »Wir waren vor zwei Jahren zusammen auf der Schule. Du bist Clay, oder?«
    Ich stelle den Becher ab und gebe ihr die Hand. Ihre Handfläche ist warm und weich.
    »Wir hatten einen Kurs zusammen«, fügt sie hinzu, »aber wir haben nicht viel miteinander geredet.«
    Jetzt kommt sie mir irgendwie bekannt vor. Vielleicht hatte sie damals einen anderen Haarschnitt.
    »Kein Wunder, dass du mich nicht wiedererkennst«, sagt sie. »Ich hab mich seit der Highschool ziemlich verändert.« Sie rollt ihre stark geschminkten Augen. »Gott sei Dank!«
    Ich rühre mit einem hölzernen Stäbchen in meinem Kaffee.
    »Welchen Kurs hatten wir denn zusammen?«
    »Holzarbeiten.«
    Ich kann mich immer noch nicht an sie erinnern.
    »Das Einzige, was mir der Kurs eingebracht hat, waren
Splitter«, sagt sie. »Ach ja, und einen Klavierhocker habe ich auch zusammengezimmert. Ich hab zwar kein Klavier, aber jetzt besitze ich zumindest den Hocker dazu. Kannst du dich noch erinnern, was du gemacht hast?«
    Ich rühre unverdrossen.

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