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Tote Maedchen luegen nicht

Titel: Tote Maedchen luegen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Asher Knut Krueger
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ausfüllen.

    Dann bist du gegangen. Du bist nicht hinausgestürmt. Hast mich einfach Flittchen genannt - so laut, dass jeder es hören konnte - und bist rausgegangen.
    Haltet euch die gesamte Situation noch mal vor Augen. Wie ich an der Bar saß und schon aufbrechen wollte, weil ich dachte, dass Marcus mich versetzt hat. Ich will euch genau erzählen, was mir damals durch den Kopf ging, weil es heute umso mehr Gültigkeit hat.
    Ich gehe dem Crestmont entgegen. Alle Geschäfte in dieser Straße haben bereits geschlossen. Eine undurchdringliche Wand dunkler Fenster, die plötzlich von einem dreieckigen Keil durchschnitten wird, der vom Bürgersteig wegführt. Marmorboden und Wände sind von derselben Farbe wie die Neonbuchstaben. Seine Spitze weist direkt in das Foyer, in dessen Mitte sich die Kasse befindet. Wie das Kassenhäuschen einer Mautstelle ist sie an drei Seiten verglast und besitzt auf der Rückseite eine Tür.
    Dort habe ich an den meisten Abenden gearbeitet.
    Fast vom ersten Schultag an hatte ich das Gefühl, dass sich niemand für mich interessiert.
    Stellt euch einfach vor, wie es ist, seine ganze Seele in den ersten Kuss zu legen... und dafür eine schallende Ohrfeige zu ernten.
    Wie es ist, wenn die beiden einzigen Menschen, denen ihr vertraut, sich plötzlich gegen euch wenden.
    Wenn sie dich für ihre Machtspielchen missbrauchen, dir aber später Betrug vorwerfen.
    Versteht ihr so langsam, worauf ich hinauswill? Geht es euch zu schnell?
    Haltet durch!
    Stellt euch vor, den letzten Rest an Sicherheit und Privatsphäre
zu verlieren, nur damit ein anderer seine perverse Neugier befriedigen kann.
    Sie hält kurz inne und fährt ein bisschen langsamer fort.
    Dann denkst du plötzlich, du hättest aus einer Mücke einen Elefanten gemacht. Kommst dir kleinlich und engstirnig vor. Natürlich - du hast das Gefühl, in dieser Stadt kein Bein auf den Boden zu kriegen. Jede Hand, die sich dir entgegenstreckt, stößt dich nur weiter nach unten. Sei nicht so negativ, Hannah, habe ich mir gesagt. Du musst den anderen auch ein bisschen Vertrauen entgegenbringen.
    Also habe ich es versucht. Ein weiteres Mal.
    Es läuft gerade die Spätvorstellung. Das Kassenhäuschen ist leer. Ich stehe auf dem schwindelerregenden marmorierten Boden, umgeben von Plakaten, auf denen die neusten Filme angekündigt werden.
    Hier, in diesem Kino, hatte ich die Chance, Hannah näherzukommen.
    Ich habe sie nicht genutzt.
    Und plötzlich schleichen sich ganz neue Gedanken in dein Bewusstsein: Werde ich mein Leben je unter Kontrolle bringen? Werde ich stets von denen enttäuscht werden, denen ich am meisten vertraue?
    Ich hasse, was du getan hast, Hannah.
    Werde ich meinem Leben je die gewünschte Richtung geben können?
    Es wäre nicht nötig gewesen und trotzdem hast du es getan.
    Am nächsten Tag, Marcus, habe ich einen Entschluss gefasst. Ich wollte herausfinden, wie die Leute reagieren, wenn eine Schülerin nie mehr wiederkommt. Oder wie es in dem Song heißt: »You are lost and gone forever, oh my darling, Valentine.«

    Ich lehne mich gegen einen Schaukasten, in dem ein Filmplakat hängt, und schließe die Augen.
    Ich lausche jemandem, der resigniert hat. Jemand, den ich kannte. Jemand, den ich mochte.
    Ich lausche. Doch es ist zu spät.

    Mein Herz pocht und ich muss mich bewegen. Ich schlurfe über den Marmorboden zum Kassenhäuschen. An einem winzigen Saugnapf hängt eine Kette, an der ein kleines Schild befestigt, ist: GESCHLOSSEN - BIS MORGEN! Von außen betrachtet, sieht das Kassenhäuschen gar nicht so klein aus, aber dort drinnen kommt man sich vor wie in einem Goldfischglas.
    Kontakt zu anderen Menschen hatte ich nur, wenn ich den Leuten ihre Eintrittskarten aushändigte oder ein Kollege zu mir hereinkam.
    Ansonsten habe ich immer gelesen. Oder hinaus in die Lobby geschaut und Hannah beobachtet. Manche Abende waren schlimmer als andere. Ich wollte mich stets vergewissern, dass sie auch genug Buttertopping für das Popcorn nahm. Ich weiß, das hört sich heute wie eine Besessenheit an, aber so war es eben.
    So wie damals, als Bryce Walker hereinkam. Er ging mit seiner aktuellen Freundin an die Kasse und wollte, dass ich ihr eine Eintrittskarte für Kinder unter zwölf Jahren verkaufe.
    »Sie kriegt vom Film doch sowieso nichts mit, Clay«, sagte er. Dann lachte er vielsagend.
    Ich kannte sie nicht. Vielleicht ging sie auf eine andere Schule. Sicher ist nur, dass sie diese Situation nicht besonders komisch fand. »Dann zahle

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