Tote Maedchen luegen nicht
bereits gehört habe, in Luftpolsterfolie ein und lege sie in den Schuhkarton zurück. Fertig.
In dieser Zeit wurde ich nicht betatscht und niemand kicherte hinter meinem Rücken über das neuste Gerücht. Mrs Bradley kann Kichern nicht ausstehen.
Ich öffne meinen Rucksack und verstaue Hannahs Schuhkarton darin. Vor mir auf dem Tresen befinden sich ein Schokoshake, den ich Mum zu Ehren trinke, der Walkman und die nächsten drei Kassetten.
Ich nehme die beiden Kassetten, auf denen mit blauem Nagellack die Zahlen neun bis zwölf stehen, und lasse sie in die Innentasche meiner Jacke gleiten.
Mrs Bradly sagte, Kommunikation sei das Fach, das sie am allerliebsten unterrichte beziehungsweise vermittele, wie sie sich ausdrückte. Wir bekamen immer ein Arbeitsblatt mit jeder Menge Statistiken und Beispielen aus dem wahren Leben, über die wir dann diskutierten.
Auf der einen Seite der letzten Kassette steht eine Dreizehn, die Rückseite ist unbeschriftet. Ich stecke die Kassette in die hintere Tasche meiner Jeans.
Gewalt, Drogen, unser Selbstbild, zwischenmenschliche Beziehungen... all das waren normale Unterrichtsthemen, was einigen anderen Lehrern ein Dorn im Auge war. Sie betrachteten das als vergeudete Zeit und wollten sich lieber den nüchternen, harten Fakten widmen. Davon verstanden sie etwas.
Ich muss blinzeln, als ich kurzzeitig von den Scheinwerfern eines Autos geblendet werde.
Sie wollten uns lieber die Bedeutung einer mathematischen Formel erklären, statt uns zu helfen, uns selbst und einander besser zu verstehen. Sie wollten hören, wann die Magna Charta - was auch immer das gewesen ist - unterzeichnet wurde, statt mit uns über Geburtenkontrolle zu diskutieren.
Dafür haben wir Sexualerziehung, aber das ist eher ein Witz.
Jedes Jahr gab es Diskussionen, ob Kommunikation nicht besser abgeschafft werden sollte. Und jedes Jahr präsentierten Mrs Bradley und einige Kollegen der Schulbehörde eine Reihe von Schülern, die ganz offensichtlich sehr von diesem Fach profitierten.
Okay, ich könnte noch ewig fortfahren, Mrs Bradley zu verteidigen. Aber irgendwas ist in ihrem Unterricht passiert, nicht wahr? Sonst würdet ihr mich bestimmt nicht so lange darüber sprechen hören.
Ich hoffe trotzdem, dass es Kommunikation auch nächstes Jahr noch geben wird - trotz des kleinen Zwischenfalls.
Ich weiß, ich weiß. Ihr dachtet, ich würde etwas anderes sagen, stimmt’s? Ihr dachtet, ich würde sagen, dass das Fach gestrichen werden sollte, weil es bei meiner Entscheidung eine Rolle spielte. Sollte es aber nicht.
Niemand an der Schule weiß, was ich euch erzählen werde. Und es war auch nicht der Kurs an sich, der eine Rolle spielte. Selbst wenn ich Kommunikation nie belegt hätte, wäre das Ergebnis vermutlich dasselbe gewesen.
Oder auch nicht.
Ich glaube, das ist der entscheidende Punkt. Niemand von uns weiß genau, wie viel Einfluss wir auf das Leben der anderen haben. In der Regel gibt es keine konkreten Hinweise, und so machen wir einfach weiter, ohne unser Verhalten zu überdenken.
Mum hat recht. Der Milkshake schmeckt großartig. Eine perfekte Mischung aus Vanilleeis und Malzschokolade.
Und ich bin ein Schwachkopf, dass ich hier sitze und ihn genieße.
Im Klassenzimmer von Mrs Bradley stand ein Buchgestell aus Metall. Eines von der drehbaren Sorte, in denen im Supermarkt die Taschenbücher stehen. Doch in diesem Gestell befanden sich keine Bücher. Am Anfang des Jahres wurde allen Schülern eine Papiertüte ausgehändigt, die man mit Stiften, Aufklebern und Stempeln verzieren konnte. Dann klebten wir die Tüten an den Ständer.
Da Mrs Bradley wusste, wie schwer es uns fällt, einander Komplimente zu machen, verschaffte sie uns die Möglichkeit, unseren Gedanken und Gefühlen anonym Ausdruck zu verleihen.
Wenn dich beeindruckt hat, wie offen X über seine Familie gesprochen hat, dann schreibe ihm eine Nachricht und stecke sie in seine Tüte.
Wenn du verstehst, dass Y sich Sorgen macht, weil sie in Geschichte durchfallen könnte, dann schreib ihr eine Nachricht und sag ihr, dass du bei der Vorbereitung auf die nächste Prüfung an sie denkst.
Warst du von seiner schauspielerischen Leistung beim Schultheater begeistert?
Gefällt dir ihre neue Frisur?
Sie hatte sich die Haare schneiden lassen. Auf dem Foto im Gästebuch des Monet’s waren ihre Haare noch lang. So habe ich sie immer vor Augen. Auch jetzt. Doch später sah sie anders aus.
Natürlich ist es am besten, es dem anderen ins
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