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Tote Mädchen

Tote Mädchen

Titel: Tote Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Calder
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für ein wundervolles Spielzeug! Aus der Baureihe L’Eve Future . Ja. Lassen Sie mich helfen. Ich will einen Blick in ihr Innerstes werfen!« In der Mitte des Gartens erhob sich eine schwarze Kuppel. »Meine Werkstatt«, sagte er. »Kommen Sie, kommen Sie!« Er eilte uns voraus und schlüpfte aus seinem Gartenoverall, während sich, als er näher kam, gehorsam ein Abschnitt der Kuppel öffnete.
    Der Innenraum glich einer Mischung aus Operationssaal, Chemiefabrik und Leichenhalle. Unter dem Scheitelpunkt stand ein rechteckiger Seziertisch aus Marmor, um den Computer, ein Rastertunnelmikroskop, Laser und ein Stahlschrank voller Operationsbestecke angeordnet waren. Bottiche säumten die Kuppelwände, und jeder davon enthielt eine Protopuppe; darüber, in zahllosen Schubfächern, die zum Teil offen standen, schliefen die Dekantierten ‒ Erfolge wie Misserfolge ‒ den Schlaf der Untoten. Im Unterschied zur Außenseite der Kuppel erstrahlte hier drin mit Ausnahme des schwarzen Marmortisches alles in klinischem Weiß. Mr. Bones ließ sich auf alle viere nieder, damit seine Herrin sich setzen konnte.
    »Dorthin, bitte«, sagte Spalanzani. Vorsichtig legte ich Primavera auf den Tisch. »Und helfen Sie mir, dieses Dermaplast zu entfernen.« Er reichte mir eine chirurgische Schere. Bald war Primavera nackt; ihre bleichen Umrisse wurden von dem kalten Steinbett noch deutlicher hervorgehoben.
    Spalanzani nahm eine Juwelierlupe und legte sein Auge auf Primaveras Umbilicus.
    »Der Nabel der Welt«, sagte er, »der Mittelpunkt des Universums. Und des Nichts. Das Wurmloch des Wahnsinns! Ich hatte recht ‒ sie stammt von L’Eve Future ab. Aber was für eine seltene Mutation!«
    Er trat beiseite, und ein Lichtbalken glitt von oben nach unten über seine Patientin; über ihr nahm ein Hologramm Gestalt an. Das fleischlose Gebilde, ein schillerndes Schema aus Blutgefäßen, Knochen und Kunststoff, drehte sich langsam um die eigene Achse wie eine durchsichtige Sally, die sich vor einem lüsternen Freier produziert.
    »Äußerst faszinierend«, sagte Spalanzani. »Lebendes Gewebe, das die Struktur von Polymeren und Harzen, von Metallen und Fasern angenommen hat. Es ist schwer zu erkennen, inwiefern sie überhaupt am Leben ist.«
    »Tote Mädchen«, sagte ich. »Sie schimpfen sie tote Mädchen. Primaveras DNS hat sich rekombiniert.«
    »Ich glaube nicht, dass wir da drin« ‒ er stieß einen Finger in den Oberschenkel des Hologramms ‒ »irgendwelche DNA finden werden. Und rekombiniert? Ihre ganze Körperchemie ist verändert, auf der Ebene der Atome umstrukturiert worden. Mechanisiert, könnte man sagen. Nach jeder Definition, die ich kenne, ist sie tatsächlich tot.« Seine Finger glitten zum Bauch des Hologramms. »Das hier hält sie am Leben, vermute ich. Zumindest oberflächlich betrachtet. Die subatomare Matrix. Darüber habe ich etwas im Scientific American gelesen.« Er stupste den grünen Feuerball an, in dem dreidimensionale Op-Art-Gebilde herumwirbelten; ein Chaos, das der Ordnung täuschend ähnlich war; eine Endlichkeit, die keine Grenzen kannte. »Die Matrix«, sagte er und griff nach einer Spritze, »ist unser Problem.«
    Ich legte eine Hand auf seinen Unterarm. »Was ist das?«
    »Ich möchte ihr ‒ mit Ihrer Erlaubnis ‒ eine Sonde spritzen.«
    »Sie brauchen nicht seine Erlaubnis«, sagte Kito.
    »Bitte«, fuhr er fort, »ich muss sehen, was in ihrem Innern geschieht.« Ich ließ ihn los.
    Die Nadel durchstach die straffe Haut, und eine klare Lösung strömte in Primaveras Bauch hinein. »Braves Mädchen«, sagte er, wobei seine Hand etwas zu lange auf der Bauchdecke seiner Patientin ruhte. »Hat gar nicht wehgetan, oder?« Er setzte sich an eine Tastatur; ein Monitor leuchtete auf, und Fraktale verloren sich, grünen Wirbeln gleich, im Fluchtpunkt des Bildschirms wie abstrakte Repräsentationen anhaltender Crescendos, die Musik unerwiderter Gelüste. Ich torkelte vorwärts ‒ die sich wandelnden Gebilde drohten mich in die fürchterliche Festung von Zeit und Raum hineinzusaugen.
    Standbild; die Verschmelzung hörte auf, und das Beharrungsvermögen des Schwindelgefühls riss mich fast von den Beinen.
    »Der Staub«, sagte er, »transportiert ein antifraktales Programm, das die Matrix mit euklidischen Imperativen infiziert.«
    Er wandte sich von dem Monitor ab, säuberte den Zwicker an seinem Ärmel und seufzte. »Im Herzen der Matrix befindet sich der Urgrund ihres Seins. Raumzeitschaum. Ylem. Die Nanomaschinen

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